ÖSV-Doppelsieg: Matt gewinnt Slalom vor Hirscher

Mario Matt
Mario MattAPA/EPA/VASSIL DONEV
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Marcel Hirscher fuhr im zweiten Lauf noch vom neunten Platz auf das Podest. Bronze ging an den Norweger Henrik Kristoffersen.

Mario Matt fuhr das Rennen seines Lebens. Der Flirscher gab seine Abschiedsvorstellung bei Olympia, der Slalom der Winterspiele in Sotschi sollte sein finaler Höhepunkt werden. Während der im Vorfeld lange als Topfavorit gehandelte Marcel Hirscher nach einem furiosen zweiten Durchgang, der ihn vom neunten Rang auf die zwischenzeitliche Führung und zu möglichem Gold geführt hatte, schon im Ziel stand, meisterte Matt den von Ante Kostelic extrem schwer und trickreich ausgesteckten Lauf mit Bravour. Auch sein großer Vorsprung von 1,28 Sekunden auf den Landsmann spielte dem Veteran in den Lauf. Hirscher konnte nicht mehr hinsehen, er schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen, doch Matt ließ sich Gold nicht mehr nehmen. Er hatte 0,28 Sekunden Vorsprung und die Zuschauermenge tobte. Matt, der an sich stets so stoisch ruhige Tiroler, zeigte daraufhin auch seltene Emotionen: er nickte.

Matt wusste, dass er soeben seine 1999 im Weltcup gestartete Karriere gekrönt hat. Nach WM-Gold 2001 in St. Anton und 2007 in Are ist er nun Olympiasieger. An einem Tag, der schöner für Österreich nicht sein konnte mit fünf Medaillen, davon derer zwei in Gold. Marcel Hirscher gewann Silber, Bronze ging an den Norweger Henrik Kristoffersen. Nun hält das ÖOC bei 17 Medaillen – eine mehr als in Vancouver vor vier Jahren. Damit ist die Vorgabe von Karl Stoss übertroffen. Er wollte nicht schlechter als 2010 bilanzieren.

Der Vollblut-Rennfahrer. „Die Fahrerei war eine Katastrophe. Irgendwie habe ich diesen Lauf aber runterbracht“, gab Matt zu Protokoll. Dass es für ihn bislang bei Olympia nie nach Wunsch gelaufen war, nahm er nicht weiter schlimm, das sei doch längst Vergangenheit. 2006 in Turin war er ausgefallen, in Vancouver fehlte er – „und jetzt ist es mir halt passiert. Es ist gut gegangen. Die Erleichterung ist gewaltig. Ja, eigentlich ist es ein Wahnsinn. Ich habe meine erste Medaille gewonnen.“

Wer wie Matt, der einst das Skifahren noch auf zwei Meter langen Skiern gelernt hat, trotz zweier WM-Titel solange auf den endgültigen Durchbruchwarten muss, der versteht, wie sehr er diesen Sieg wollte. Aber, der Tiroler, der seine erste Olympiamedaille gewann, betrachtet seine Karriere so wie er sich um die Güte seiner Pferde-Zucht kümmert. Er liebt Araber-Hengste, deren Anmut, deren Kraft und Glanz. Doch ihre Aufzucht verlangt Gefühl, sie braucht Zeit und Hingabe. So wolle er auch Skifahren, und nicht anders. Ausfälle in Schladming oder Kitzbühel trübten sein Gemüt, er wusste nicht so recht, wie er denn dastehe in diesem Olympiawinter und vor dem direkten Vergleich mit der jüngeren Generation rund um Marcel Hirscher. Er fahre doch einfach nur Ski, er wolle gut runterkommen, mehr nicht. Dass er sich auch als Skihütten-Besitzer längst ein anderes Standbein aufgebaut hat und von vielen schon als Hobbyläufer eingestuft worden ist, tangiert ihn – wider Erwarten – nicht. Auch das sei ihm „vollkommen egal“.

Dass sich seine Karriere dem Ende neigt, das weiß der 34-jährige Tiroler. Die Spiele 2018 in Südkorea sind für ihn kein Thema mehr, vielleicht aber noch die WM 2015 in Vail und Beaver Creek. „Ach, diese Fragen mag ich jetzt nicht. Ich will den Moment genießen“, sagte Matt, der von österreichischen Reportern gestürmt wurde und anschließend auch bei der Pressekonferenz fortlaufend mit dieser Frage bombardiert wurde. Aber was sollte er denn sagen? Dass er noch gut weiß, wie es im Jahr 2000 war, als er mit Startnummer 50 zum Kitzbühel-Sieg gefahren war? Sollte er an sein damals extrem jugendliches Auftreten mit blond-gefärbtem Haar und Flinserl erinnern? Das ist dreizehn Jahre her – und diese Tatsache erklärte ohnehin alles: die Zeit. Als Matt 2001 seinen ersten Titel gewann, war Hirscher erst elf Jahre alt.

In der Liste großer Namen. Matt kann sich konzentrieren, er bringt seine Leistung auf den Punkt genau, zumeist bei Großereignissen. Er legt, anders als Hirscher, keinerlei Wert auf Sonderbehandlungen wie Lear-Jet oder Hotel. Der Flirscher wohnte im Olympischen Dorf („Schlechtes Essen haben's dort“), siegte und steht damit auf einer Liste ganz großer Namen. Er ist der siebente Österreicher, der Slalom-Gold gewinnen konnte nach Othmar Schneider (1952), Toni Sailer (1956), Ernst Hinterseer (1960), Josef Stiegler (1964), Thomas Stangassinger (1994) und Benjamin Raich (2006). Der oft als „Eiswürfel“ oder „Mr. Eiskalt“ eingestufte Tiroler ist aber getrost der ruhigste Sieger aller Zeiten.
Marcel Hirscher gratulierte, die Enttäuschung nach der acht Läufer lang anhaltenden Gold-Hoffnung war ihm allerdings anzumerken. Aber der 24-Jährige hat noch Zeit. Die Zukunft im Stangenwald gehört ihm.

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