Katarina Witt: "Olympia hat enormen Spirit"

Katarina Witt
Katarina Wittimago/APress
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Katarina Witt gewann bei den Winterspielen 1984 und 1988 Gold im Eiskunstlauf, sie spricht über Erinnerungen, Erlebnisse in Sotschi, Münchner Enttäuschungen und erinnert sich an die DDR.

Sie galten als „Carmen on Ice“, Sie gewannen zweimal Olympia-Gold im Eiskunstlauf – wie sehr haben sich die Spiele seitdem verändert? Ist der Gigantismus wirklich das Problem der Spiele der Gegenwart?

Katarina Witt: Aus der Sicht der Athleten gibt es weiterhin nichts Höheres, da ist Olympia unverändert. Es gibt nichts Schöneres, als bei den Spielen dabei zu sein. Die Erlebnisse im olympisches Dorf, Eröffnungs- und Schlussfeier und damit für jeden, egal, welche Sportart, Hautfarbe oder Religion, eine einzigartige Chance, unvergessliche Erlebnisse in die Zukunft mitzunehmen. Oder auch Sportler zu treffen, die man vorher nur aus dem TV kannte. Olympia hat enormen Spirit, und durch Internet, Facebook und Twitter ist es auch ein globaleres Erlebnis. Im Fall des Gigantismus gebe ich Ihnen recht, da muss man sicherlich hinterfragen, wie groß ist groß genug? Aber auch der Zuschauer erwartet Perfektion, Besonderheiten und Glanz. Hier in Sotschi sind es kompakte Spiele gewesen, der Olympia-Park in Adler ist einmalig. Tatsächlich wird Lillehammer 1994 wohl das letzte echte Wintermärchen gewesen sein. Auch weil mittlerweile das Wetter eh macht, was es will.

Salzburg hatte im Duell gegen Sotschi bei der Vergabe 2007 das Nachsehen, auch in München wird es keine Winterspiele geben. Sie waren für die Bewerbung 2018 als Vorsitzende im Einsatz. Wie groß ist jetzt Ihr Schmerz, dass es keine Heimspiele gibt?

Olympia in München wäre eine großartige Chance gewesen. Auch ein Signal des Landes, den Athleten den Rücken zu stärken. Wir haben gegen Pyeongchang, Südkorea, verloren. Dass der Bürgerentscheid in Bayern nun eine weitere Bewerbungen gestoppt hat, ist schade. Aber die Mehrheit war dagegen. Es hat gezeigt, dass man schneller Gegner mobilisieren kann als Befürworter. Erinnern Sie sich an die Fußball-WM 2006, die war doch auch – trotz einiger Skepsis im Vorfeld – unvergesslich.

Welche Erinnerungen haben Sie noch an Sarajewo 1984 und Calgary 1988?

Das waren für mich unglaubliche Momente und weil diese Erinnerungen weiterhin viele mit mir teilen, zeigt es mir, dass ich nicht in Vergessenheit geraten bin. Es ist ja keine Selbstverständlichkeit, zweimal Gold zu gewinnen. Und die Zeit des Sports, des Kämpfens und die Erfahrungen haben mich nachhaltig geprägt.

Und was hat sich durch Gold verändert, es war ja noch zu DDR-Zeiten?

Da ich nicht über Nacht diesen Ruhm erwarb, sondern langsam in diese Star-rolle hineinwuchs, konnte ich vieles relativieren. Olympia ist ja doch die ganz große Bühne, weil bei den Spielen wirklich alle Sportarten wahrgenommen werden. Und dann stand mir plötzlich die große Weltbühne offen und ich wurde sogar in den USA megaberühmt. Man verglich mich mit Brooke Shields, einem Hollywoodstar zur damaligen Zeit, das war echt unglaublich.

Stichwort DDR, war das Leben für Sieger wirklich so viel einfacher?

Egal, in welchem System, Sieger werden immer verehrt, bewundert und gefeiert. Natürlich hatte ich das große Glück, dass ich mit dem Sport reisen konnte und dass für uns gesorgt wurde, damit die Leistungen weiterhin abgeliefert werden. Es war ein extremes Engagement mit enormen Entbehrungen dahinter. Und trotz alledem, ich hatte eine sehr schöne Kindheit.

Gab es damals nicht auch schon Neid und Missgunst? Es gab später sogar Vorwürfe an diverse Sportler wegen ihrer Nähe zum System...

...mir persönlich haben die Menschen immer Achtung entgegengebracht. Sie hatten Hochachtung vor meinen Erfolgen. Und sie wussten, dass man als Sportler nur eine sehr kurze Zeitspanne hat, in der man Erfolg haben kann.

Achtung ernten Sie auch als ARD-Expertin, aber jetzt mal ganz ehrlich: Wie groß war der Reiz, bei den Spielen in Sotschi wieder über das Eis zu laufen?

Gegen null! Das ist ja das Schöne, auf dem Eis habe ich all meine Prüfungen bestanden. Ich kenne das Empfinden, wie es ist, mitten auf der Eisfläche zu stehen, im Rampenlicht und dazu all die Nervosität. Jetzt bin ich froh, auf der andere Seite der Bande zu stehen und mir die rasanten Pirouetten, beeindruckenden Sprünge und schnellen Schritte der neuen Stars anzusehen. Meine Zeit war in den 1980er-Jahren – das ist lange her.

Carmen, die Oper von George Bizet berührt Sie aber schon auch noch...

Ja klar, immer wieder. Irgendwie habe ich das Gefühl, ein kleiner Teil von ihr gehört auch mir, zumindest auf dem Eis. Es ist eine wunderschöne Oper, eine traumhafte Eiskunstlauf-Musik – sie gehört einfach zu diesem Sport dazu. Wenn ich es heute manchmal höre, und die schönen Kostüme sehe, kommen immer Erinnerungen zurück.

Sie schafften nach dem Sport den Sprung ins Showgeschäft. Glauben Sie, dass man auch Jewgeni Pluschenko, der sich mit seiner Verletzung vor dem Herrenfinale verabschieden musste, in diesem Rampenlicht sehen wird?

Pluschenko hat seine Verpflichtung als „Gesicht dieser Spiele“ mehr als erfüllt. Er hat Gold mit dem Team gewonnen und sich damit auch ein schönes Denkmal gesetzt. Er hat aber auch auf ein Wunder gehofft nach all seinen Verletzungen und der Bandscheibenoperation – und die gibt es in solchen Fällen mit diesen schweren Verletzungen nicht oder nur sehr selten. Ich habe ihm beim Einlaufen zugesehen, er hatte enorme Schmerzen und es ist gut, dass er sofort aufgehört hat und zurückgetreten ist – er soll ja nicht im Rollstuhl sitzen. Er ist eine große Persönlichkeit auf dem Eis und er wird sicherlich Shows laufen und weiter die Fans begeistern.

Sotschi erlebte wunderbare Spiele, all die Probleme, die vorab diskutiert wurden, scheinen vergessen. Bleiben sie es auch?

Ich finde es bedauerlich, dass vor Olympia immer zumeist nur das Negative, die andere Seite betrachtet wird. Dabei sind doch die Spiele der Stolz der Athleten, die sich ihr Leben lang darauf vorbereitet haben. Oder für den Gastgeber, der viel Geld investiert hat, und die Menschen, die unendliche Leidenschaft hineingesteckt haben. Probleme gibt es immer, weltweit. Vor Sydney 2000 drehte sich alles um die Aborigines, vor Peking 2008 um das politische Regime, in Vancouver 2010 wurden die Probleme der Natives in den Mittelpunkt gerückt, hier in Russland ging es letztlich vorwiegend ums Geld. Es waren die teuersten Spiele, ja, aber beeindruckende Spiele. Das ganze Land, die Stadt Sotschi – die Russen haben etwas davon. Es kommen jährlich zwei Millionen Urlauber hierher, die nun eine bessere Infrastruktur und Wohnmöglichkeiten vorfinden. Was die Russen in sieben Jahren aufgebaut haben und wie perfekt diese Spiele abgelaufen sind, mit all den freundlichen, lachenden Volunteers, war hervorragend – mit der typisch russischen Gastfreundschaft. Was die Nachhaltigkeit betrifft, werden uns die Russen hoffentlich positiv überraschen.

Steckbrief

Katarina Witt
Sie (*3. Dezember 1965 in Staaken, Kreis Nauen, gehört heute zu Berlin) ist Schauspielerin, Moderatorin und ehemalige Eiskunstläuferin, die im Einzellauf für die DDR und Deutschland gestartet ist.

Witt ist die Olympia-Siegerin von 1984 und 1988, die Weltmeisterin von 1984, 1985, 1987, 1988 und Europameisterin von 1983 bis 1988.

Ihre schulische und sportliche Ausbildung erhielt Witt unter anderem an der Karl-Marx-Städter Kinder- und Jugendsportschule, dem jetzigen Sportgymnasium Chemnitz. Ab 1977 trainierte sie beim SC Karl-Marx-Stadt unter Jutta Müller. Corbis

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2014)

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