Vollgepumpt, aber doch nicht gedopt?

(c) Reuters (Valentin Flauraud)
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Abseits der offiziellen Doping-Liste an verbotenen Substanzen hat jeder Sportler seine Liste an Mittelchen, die ihm helfen, den Wettbewerb gut zu überstehen.

WIEN. „Sie haben sicher auch schon Medikamente bekommen, die auf der Doping-Liste stehen“, meint Edmund Benetka vom Doping-Kontroll-Labor Seibersdorf auf die Frage, wo man die Grenze zwischen „Doping“ und „Nicht-Doping“ zieht. Denn unter die zirka 250 Substanzen, die auf der Doping-Liste ausgewiesen sind, fallen auch „ganz normale“ Medikamente. Zur Vorsicht erstellt die Österreichische Anti-Doping-Agentur eine Liste mit erlaubten Medikamenten, die Sportler bei banalen Erkrankungen (von A wie Allergien bis V wie Verstopfung) einnehmen dürfen. So wird für unsere Sportler, die derzeit in China weilen, Punkt IV interessant sein: „Durchfall“. Oder kam schon jemand aus China zurück, ohne Erfahrungen mit der Reise-Diarrhoe gemacht zu haben?

Jedenfalls zeigt die Liste, wie wichtig es ist, zu wissen, was man einwerfen darf, ohne bei der Doping-Kontrolle aufzufallen. Denn das Behandeln einfacher Verkühlungen wurde schon manchem zum Verhängnis: Berühmt der Fall von Rainer Schönfelder, der Influbene schluckte (wird übrigens nicht mehr produziert), das den kreislaufstützenden Wirkstoff Etilefrin enthielt, der per Doping-Liste verboten ist. Genauso, wie sich Schönfelder nicht wegen einer Verkühlung vom Skifahren abhalten lassen wollte, gibt es zahlreiche Sportler, die beim Wettkampf schmerzfrei starten wollen.

Beliebte Schmerzmittel

Am Rande der Euro 2008 wurde berichtet, dass Fußballspieler vollgepumpt mit dem Schmerzmittel Diclofenac auf das Spielfeld laufen. Manche nehmen es therapeutisch gegen bestehende Schmerzen, andere schlucken es prophylaktisch. Die Doping-Protokolle, die Fußballspieler bei der WM ausfüllen mussten, zeigten, dass jeder Zehnte vor jedem Spiel Schmerzmittel einnahm. „Natürlich steht Diclofenac und andere Schmerzmittel nicht auf der Doping-Liste“, erklärt Benetka: „Es wirkt nicht leistungssteigernd.“ Auch der Sportmediziner Paul Haber berichtet: „Sportler wie Leichtathleten oder Sprinter nehmen oft monatelang Schmerzmittel.“

Bei welchen Sportarten zu welchen Substanzen gegriffen wird, um sich – abseits der Doping-Liste – fit zu machen, kann Benetka vom Doping-Kontroll-Labor nicht sagen. „In der Vor-Olympia-Phase haben wir 950 Doping-Proben in Seibersdorf ausgewertet. Aber da suchen wir im Urin nach den Substanzen der Doping-Liste und werten im Blut Parameter aus, die z.B. auf Wachstumshormone hinweisen. Nach erlaubten Substanzen suchen wir nicht.“

So fallen auch hohe Mengen von Kreatin nicht auf, das Sportlern hilft, Leistung in extrem kurzer Zeitspanne (zwei bis fünf Sekunden) zu erbringen. „Kreatin verbessert die anaerobe Energiebereitstellung und wird vor allem von Gewichthebern oder Sprintern verwendet“, weiß Haber. Langstrecken-Sportler wie 50-km-Geher oder Triathleten schwören hingegen auf verzweigtkettige Aminosäuren, die bei der Energiebereitstellung über einen langen Zeitraum helfen. Haber hält von den „Trankerln und Pulverln“, die Sportlern einnehmen, wenig. Denn an Spurenelementen und Vitaminen herrscht in einem normalen Körper kein Mangel. Auch die vitaminähnliche Substanz L-Carnitin, die Sportlern schlucken, ist ausreichend im Körper vorhanden. „Wer nur L-Carnitin zuführt, kann keinen besseren Umsatz der Fettsäuren erwarten, weil Einzelsubstanzen selten wirken“, so Haber.

Ausnahmegenehmigungen

Neben den erlaubten „unterstützenden Substanzen“, probieren auch manche mit der medizinischen Ausnahmegenehmigung unerlaubte Wirkstoffe „durchzuschmuggeln“. Diese kann die Anti-Doping-Organisation erteilen, wenn eine Krankheit des Sportlers nicht anders behandelbar ist als durch ein Arzneimittel, das verbotene Wirkstoffe enthält. Über die Ausnahmegenehmigung entscheidet eine Kommission. Trotzdem versuchen manche Sportler, ein echtes Leiden wie Asthma dazu zu nutzen, um erhöhte Mengen des darin enthaltenen Wirkstoffes zur Leistungssteigerung einzusetzen. „Auf solche Methoden kommen wir im Labor drauf, da es bestimmte Grenzwerte gibt. Werden die überschritten, bringt eine medizinische Ausnahmegenehmigung gar nix“, betont Benetka.

AUF EINEN BLICK

4500 Doping-Tests
Aufgrund verschärfter Kontrollen rechnet das Internationale Olympische Komitee (IOC) mit weniger Doping-Fällen während der Olympischen Sommerspiele als befürchtet. In Peking sind rund 4500 Tests geplant.

Während der Sommerspiele vor vier Jahren in Athen registrierten die Doping-Jäger (3300 Tests) 23 gedopte Aktive.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2008)

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