Olympische Spiele - "Einheit in Vielfalt"

President of the International Olympic Committee (IOC) Thomas Bach speaks at a news conference following the IOC executive board meeting in Kuala Lumpur, Malaysia
President of the International Olympic Committee (IOC) Thomas Bach speaks at a news conference following the IOC executive board meeting in Kuala Lumpur, MalaysiaREUTERS
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Gastkommentar von IOC-Präsident Thomas Bach: Die Entscheidung des IOC über die Vergabe der Winterspiele 2022 verspricht eine olympische Premiere und einen Abschied.

Wenn ich heute den berühmten Umschlag öffnen und den Namen der Gastgeberstadt für die Olympischen Winterspiele 2022 verkünden darf, dann werde ich genauso gespannt sein wie die Zuschauer. Niemand kann im Vorfeld sagen, wer am Ende den Zuschlag erhalten wird. Aber wir können sicher sein, dass die Entscheidung nachhaltige Auswirkungen für eine von zwei sehr unterschiedlichen Städten haben wird: Almaty in Kasachstan und Peking in China.

Egal, wie die Entscheidung des IOC schließlich ausfällt – es wird in jedem Fall eine olympische "Premiere" geben. Peking wäre die erste Stadt, die sowohl Sommer- als auch Winterspiele ausrichten würde. Almaty wäre die erste Gastgeberstadt der Olympischen Spiele in der Region.

Doch die Entscheidung des IOC wird auch einen olympischen "Abschied" bedeuten. Denn Almaty und Peking sind die letzten Kandidatenstädte, die das Bewerbungsverfahren begonnen haben, bevor das IOC die Olympische Agenda 2020 verabschiedet hat. Dieses Reformpaket wird den Auswahlprozess künftiger Gastgeberstädte erheblich verändern. Dabei rücken die Aspekte Nachhaltigkeit, Erbe und Transparenz stärker in den Mittelpunkt. Die Änderungen erleichtern es den Gastgeberstädten, die Spiele an ihre jeweiligen Interessen anzupassen, statt einem einheitlichen Muster zu folgen.

Obwohl der Auswahlprozess für 2022 bereits in vollem Gange war, als das IOC die Olympische Agenda 2020 im vergangenen Dezember verabschiedete, hatten die Reformen einige unmittelbare Auswirkungen. Beide Kandidaten für die Spiele 2022 machten sich die von der Olympischen Agenda 2020 eingeräumte Flexibilität zunutze, um ihre Pläne für die Spiele zu verbessern und die Kosten zu reduzieren.

Peking möchte die Spiele nutzen, um die Entwicklung eines neuen Sport-, Kultur- und Tourismuszentrums voranzutreiben und um das Interesse an Wintersport in einer Region mit mehr als 300 Millionen Einwohnern im Norden Chinas zu steigern. Almaty möchte auf der Wintersporttradition Kasachstans aufbauen und wirtschaftliche sowie soziale Reformen beschleunigen.

Unabhängig davon, welcher der beiden Kandidaten sich am Ende durchsetzen wird: Die Spiele 2022 werden bedeutend kostengünstiger ausfallen als frühere Olympische Spiele. Die vorgesehenen Investitionen in Olympische Dörfer, Sportstätten und weitere Infrastruktur betragen insgesamt 1,85 Milliarden US-Dollar für Almaty und 1,5 Milliarden US-Dollar für Peking.

Beide Städte würden zum Großteil auf bereits existierende Anlagen zurückgreifen. In Peking wären dies Stätten der Olympischen Spiele 2008, darunter das berühmte "Vogelnest". Almaty würde auf seine erstklassigen Wintersportanlagen zurückgreifen, darunter die weltbekannte Eisschnelllaufbahn Medeo, auf der so viele Weltrekorde aufgestellt wurden.

Beide Städte haben für alle permanenten Sportstätten ein Nutzungskonzept für die Zeit nach den Spielen vorgelegt, sodass sich mit den Spielen in Verbindung stehende Investitionen über viele Jahre hinweg auszahlen können.

In beiden Städten summieren sich die veranschlagten operativen Kosten, worunter alle direkt mit der Ausrichtung der Spiele in Verbindung stehenden Ausgaben fallen, auf weniger als 1,8 Milliarden US-Dollar. Diese Kosten würden im Übrigen vollständig durch Erlöse aus dem Ticketverkauf, Sponsoring und anderen Einkünften gedeckt. Das IOC wird etwa 880 Millionen US-Dollar als Unterstützung für die Ausrichtung erfolgreicher Olympischer Winterspiele 2022 bereitstellen. Beide Städte sind zuversichtlich, mit den Spielen eine schwarze Null oder sogar einen Gewinn zu erwirtschaften.

Das IOC hat weitere Schritte unternommen, um die Kandidaten für 2022 zu entlasten. Um Kosten und Komplexität der Vor-Ort-Besichtigungen durch die Evaluierungskommission des IOC zu senken, hat das IOC die Aufwendungen übernommen, die mit diesen Besuchen im Zusammenhang stehen. Dazu zählen auch Aufwendungen für die Einrichtung von Sitzungsräumen in beiden Städten. Die Evaluierungskommission setzte bei der Frage, wie die Spiele nachhaltiger gestaltet werden können, auf Kooperation und förderte eine offene Diskussion, statt sich auf eine bloße Untersuchung und Erörterung zu beschränken.

Die Olympische Agenda 2020 hat zu mehr Transparenz bei dem Verfahren geführt. Zum ersten Mal enthält der Bericht der Evaluierungskommission eine ausführliche Bewertung der Chancen und Risiken in beiden Städten. Dadurch wird nicht nur den IOC-Mitgliedern bei ihrer Entscheidung unter die Arme gegriffen, sondern diese Neuerung liefert den Kandidatenstädten gleichzeitig klare Anhaltspunkte, wie sie ihre Bewerbung verbessern können. Der vollständige Evaluierungsbericht wurde am 1. Juni veröffentlicht und von beiden Kandidatenstädten begrüßt. Die enthaltenen Informationen sind für die erfolgreiche Kandidatenstadt von Nutzen, helfen aber auch der anderen Stadt für zukünftige Bewerbungen oder die Ausrichtung anderer sportlicher Großereignisse.

Die Olympische Agenda 2020 sendet mit der Tatsache, dass das IOC bei der Auswahl einer Gastgeberstadt Vielfältigkeit fördert, eine starke Botschaft. Vielfältigkeit macht einen Teil des Zaubers der Spiele aus. Sie ist zudem unabdingbar, um die Einheit der Olympischen Bewegung zu wahren, indem sichergestellt wird, dass der Gastgeber die olympischen Werte respektiert.

Die Olympische Agenda 2020 trägt diesem Bedürfnis Rechnung und legt zusätzlichen Wert auf Menschenrechtsaspekte. Dementsprechend hat die IOC-Evaluierungskommission bei der Bewertung der beiden Olympiabewerbungen die Ansichten unabhängiger Nichtregierungsorganisationen mit einfließen lassen, die sich in den Bereichen Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte, Medienfreiheit und Umweltschutz engagieren.

Die Evaluierungskommission hat diese Aspekte bei den jeweiligen Regierungen und Lokalbehörden sowie den beiden Organisationskomitees angesprochen. Dabei wurde gegenüber der Kommission versichert, dass die Prinzipien der Olympischen Charta und der Vertrag mit der Gastgeberstadt im Kontext der Spiele eingehalten werden. Dies betrifft auch das Verbot jeglicher Form der Diskriminierung sowie die Themen Internetzugang, Medienfreiheit, Arbeitnehmerrechte und das Demonstrationsrecht während der Spiele.

Gleichzeitig erkennt das IOC an, dass es außerhalb der Dauer der Spiele die Gesetze souveräner Staaten respektieren muss. Das IOC ist keine Weltregierung.

Die Evaluierungskommission ist zu dem Schluss gekommen, dass sowohl Almaty als auch Peking in der Lage sind, die Spiele erfolgreich abzuhalten. Ich kann den Gewinner nicht vorhersagen. Was ich aber mit Sicherheit sagen kann, ist, dass im Publikum Vertreter mehrerer Länder und Nationaler Olympischer Komitees sitzen werden, die sich um eine Ausrichtung der Spiele 2024 bemühen. Die Liste der Bewerber umfasst bereits Deutschland, Frankreich, Italien, Ungarn und die Vereinigten Staaten von Amerika. Weitere Bewerber könnten folgen. Sie werden ein neues Kapitel aufschlagen und werden die ersten Kandidatenstädte sein, die in vollem Umfang von der Olympischen Agenda 2020 profitieren. Sie werden die Spiele flexibler gestalten und an ihre eigenen Entwicklungsziele anpassen können und gleichzeitig den besten Athleten der Welt eine großartige Bühne bieten.

Aus all den genannten Gründen blicke ich dem Öffnen des Umschlags heute und der Verkündung der Entscheidung mit außerordentlich großer Spannung entgegen.

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