Rio de Janeiro: Müll, Kadaver und Keime

The construction site of the X-Park at Deodoro Sports Complex, being built for the Rio 2016 Olympic Games, is pictured in Rio de Janeiro
The construction site of the X-Park at Deodoro Sports Complex, being built for the Rio 2016 Olympic Games, is pictured in Rio de JaneiroREUTERS
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Ein Jahr vor den Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro hinterlässt die Umweltverschmutzung weiterhin einen verheerenden Eindruck.

Rio de Janeiro. Immer wieder werden Säuberungen versprochen, doch dass das Wasser an der Copacabana bei den Olympischen Spielen im August nächsten Jahres in Rio de Janeiro wirklich sauber sein wird, daran glaubt niemand. Der Internationale Segelverband hat eine Verbesserung der Wasserqualität gefordert, andernfalls müsse woanders um Medaillen gekämpft werden. Passieren wird wohl weder das eine noch das andere.

„Wir werden Wettbewerbe und die Gesundheit der Sportler gewährleisten“, teilte Maria Andrada, Kommunikationsdirektorin des Rio-Organisationskomitees mit. Man werde an den Stellen, an denen Flüsse ins Meer münden, „Barrieren“ errichten. Man wisse, wie die Strömungen verlaufen und werde Öko-Boote einsetzen, welche mit Netzen und „Handarbeit“ dafür sorgen werden, dass der aus den Favelas angespülte Müll entsorgt wird. „Die Bucht wird während der Spiele viel besser aussehen als jetzt.“

Bürgermeister Eduardo Paes erklärte indes, dass die Abwässer in der Guanabara-Bucht nur zu 60 Prozent geklärt werden können. Er garantierte dennoch die Austragung der Segelwettbewerbe. Nach einer jüngsten Untersuchung der US-Nachrichtenagentur AP ist das Wasser gesundheitsgefährdend. Hohe Werte von Bakterien und Viren sollen festgestellt worden sein.

Beim IOC-Kongress in Kuala Lumpur hatte sich Präsident Thomas Bach besorgt gezeigt, Maßnahmen seien aber eingeleitet worden. Er blieb zuversichtlich, „dass wir Bedingungen haben werden, die der Gesundheit der Athleten und einem fairen Wettbewerb Rechnung tragen“.


Gestank der Copacabana. Mit dem Atlantik-Wasser an der Copacabana kommen Segler, Triathleten und Freiwasser-Schwimmer in Berührung. Die Ruderer und Flachwasser-Kanuten tragen ihre Wettkämpfe in der nahen Lagune Rodrigo de Freitas in der Region Lagoa aus – umgeben vom Botanischen Garten mit Hügeln und Wäldern und mit Blick auf Zuckerhut und Christusstatue. Die Lagune ist über einen Kanal mit dem Ozean verbunden. Das Wasser ist salzig und teils auch stark verschmutzt.

Es sind die Segler, die von den schlechten Verhältnissen auf dem Wasser der Bucht von Guanabara berichten, halten sie dort doch seit 2013 regelmäßig ihre Trainingslager ab, um sich mit dem Revier vertraut zu machen. So auch die Österreicher, die schon einiges erlebt haben, wird doch der Großteil der Abwässer der sieben Millionen Einwohner zählenden Stadt Rio „vollkommen ungefiltert ins Meer eingeleitet“, erzählte Segel-General Georg Fundak im Vorjahr der „Presse am Sonntag“. Manche Boote hätten nicht vorrangig auf Bojen und Gegner achten müssen, „sondern waren nur darauf bedacht, nicht mit Tierkadavern zusammenzustoßen.“ Auch Müll findet sich im Wasser bergeweise. Schwimmen ist unmöglich, das Gesundheitsrisiko ist zu groß. Wer schon einmal in Rio war, der weiß, warum Einheimische an manchen Tagen nicht ins Wasser gehen – oder, bei hoher, weißer Gischt, nach Ipanema ziehen.

„Krank war bis jetzt jeder einmal, fiebrig. Es graust dich. Es ist so, dass du da keinen Fuß reinsetzen willst“, erzählte 49er-Segler Nico Delle-Karth. Er stellte sich mitsamt Gewand unter die Dusche, um den Gestank und den Dreck abzuwaschen. Den Müll zu beseitigen sollte kein Problem sein, da könne man Netze aufstellen. Aber an der Wasserqualität werde sich wohl nicht viel ändern. „Null Chance, es sauber zu bekommen.“ Es bleibe eine Brühe. Sessel, tote Kühe, Hunde, Babypuppen, Bäume, tausende tote Fische – Delle-Karths Fundstücke und Entdeckungen ließen aufhorchen.


Ruinen als Mahnmal. Der Dreck trübt den Eindruck, denn landschaftlich gehe es kaum besser. „Für mich ist es die schönste Landschaft, die ich je gesehen habe. Buchten, kleine Sandstrände. Aber nur die ärmsten Einheimischen gehen dort schwimmen. Alle anderen sagen Nein. Das ist ewig schade“, meinte Delle-Karth. In der Bucht von Niteroi, wo Österreichs Segler bei ihren Aufenthalten wohnen, werde der Sandstrand sauber gehalten. Bei den Spielen 2008 – die Segelbewerbe fanden in Qingdao statt –, war es ähnlich. „Da hattest du Gras dort, nein Algen. Und Dreck. Ich kann mich erinnern, dass die deutschen Tornadosegler eine Medaille verpasst haben, weil sie über ein Stück Trockenholz gefahren sind.“

Das Revier vor Rio sei würdig, ab 5.August 2016 werde es strahlen. Dazu der Blick zum Zuckerhut oder Cristo – die Bilder von den Spielen werden makellos sein; davon ist auszugehen. Dass die Wasserqualität kurzfristig „stimmen“ werde, glaubt auch Fundak. Doch sobald die Spiele vorbei sein werden, wird wieder der Alltag einziehen. Dann wird wieder die Flut aus den Favelas rollen, wird das Wasser trüb und zur stinkenden Brühe, geschmückt mit toten Tieren. Zurück bleibt von Olympia zumeist nur die Illusion der Nachhaltigkeit. Oder sündteure Sportstätten mit fünf Ringen drauf, die sich in Ruinen verwandeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2015)

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