Russlands Leichtathleten für Olympia in Rio gesperrt

Man casts his shadow following press conference by IAAF's President Coe as part of 203nd IAAF council meeting in Monaco
Man casts his shadow following press conference by IAAF's President Coe as part of 203nd IAAF council meeting in MonacoREUTERS
  • Drucken

In Wien bestätigte das IAAF-Council die seit 13. November 2015 geltende Suspendierung. Saubere Athleten sollen unter neutraler Flagge starten dürfen.

Die seit 13. November über Russlands Leichtathleten verhängte Aussperrung von allen internationalen Bewerben wurde vom IAAF-Council des Weltverbandes am Freitag in Wien bestätigt – und wird über den Zeitraum der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro (ab 5. August) hinweg fortgesetzt. Es sind keine deutlichen Fortschritte zu sehen, weiterhin würde bei Trainern und Athleten keine Bereitschaft bestehen, Doping-Regeln zu akzeptieren. Das bedeutet, dass kein russischer Leichtathlet um Olympiagold in Brasilien – laut IAAF-Beschluss – kämpfen wird.

Es ist ein sport-historisches Urteil in der 120-jährigen Olympia-Historie. Erstmals wird von einem Verband eine komplette Sparte einer Nation gesperrt. 2012 in London waren von rund 440 russischen Sportlern 100 Leichtathleten. Ob das Internationale Olympische Komitee nun Ausnahmen machen und „saubere“ Athleten unter neutraler Flagge starten lassen wird, bleibt offen. Athleten, die als „sauber“ gelten – mit heuer drei bestandenen Zielkontrollen –, können sich melden, um unter neutraler Flagge des IOC starten zu können.

Ein Überblick:

Der Ausgangspunkt: Whistle-Blower und eine ARD-Dokumentation

Am 3. Dezember 2014 strahlt ARD die Dokumentation „Geheimsache Doping – Wie Russland seine Sieger macht“ aus. Die Erfolge russischer Leichtathleten seien das Ergebnis von Sportbetrug, zum Teil unter Mithilfe des Staates. Dafür gibt es Beweise und Belege – sowie zwei Kronzeugen, das Ehepaar Witali und (Ex-Läuferin) Julia Stepanow. Die Welt-Anti- Doping-Agentur WADA legt am 9. November 2015 einen 323-seitigen Bericht vor, der ein Schreckensbild der Doping-Praktiken zeichnet. Am 13. November 2015 suspendiert die IAAF den Russlands Leichtathletik-Verband WFLA.

Staatliches systematisches Doping, Vertuschung – und Korruption

Staatliches systematisches Doping, Vertuschung von Kontrollen und Korruption. Trainer und Funktionäre sollen den Betrug befördert und gedeckt haben. Im Moskauer Doping-Kontrolllabor soll dessen ehemaliger Chef, Grigori Rodschenkow, als Mittelsmann gearbeitethaben. Er bezeichnete sich als „Vater des staatlichen, systematischen Dopingprogramms“. Bei den Winterspielen 2014 in Sotschi sollen 15 russische Medaillengewinner gedopt gewesen sein. Mit Hilfe gefälschter Urinproben sei Doping verschleiert worden, sagte Rodschenkow. Und dank der Mithilfe des Geheimdienstes FSB.

Die Welt-Anti-Doping-Agentur erhob am Mittwoch erneut schwere Vorwürfe: Zwischen 15. Februar und 29. Mai konnten 736 geplante Dopingkontrollen nicht durchgeführt werden. Kontrolleure wurden behindert und eingeschüchtert.

Wer sperrte Russlands Athleten, wie argumentiert der Weltverband?

25 der 27 Council-Mitglieder des Leichtathletik-Weltverbandes um Präsident Sebastian Coe entschieden darüber, ob die Sperre Bestand hat. Im Wiener Grand Hotel erklärte die wegen der Doping-Plage selbst schwer in der Kritik stehende britische Lauf-Ikone: „Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Der russische Verband bleibt suspendiert, aber für Athleten außerhalb dieses Systems besteht die Möglichkeit, zurückzukehren – aber nur, wenn sie alle Tests bestanden haben, die Regeln des Anti-Doping-Codes einhalten.“

Auf welcher Grundlage wird ein Land, Verband – Athlet – gesperrt?

Der Ethik-Code des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF gibt dem Council mit der Regel 45 das Recht, einen Mitgliedsverband von internationalen Wettkämpfen wegen des Verstoßes gegen die Anti-Doping-Regeln zu suspendieren. Unter Punkt 1. heißt es: „Das IAAF-Council kann Strafen gegen ein Mitglied des Weltverbandes verhängen, wenn es gegen die Anti-Doping-Regeln verstößt.“

Den „sauberen Athleten“ zu finden, ist nun die Sport-diplomatische Mission, der sich die IAAF nun stellen muss. Mit Tests außerhalb Russlands, von z. B. britischen Behörden.

Wie reagiert die Sport-Großmacht Russland auf diese Sperre?

Russlands Sportminister Witali Mutko reagierte wirsch auf das Wiener Urteil. „Die Suspendierung ist eine erwartete Entscheidung. Wir hätten das vorhersagen können, wir werden reagieren.“ Präsident Wladimir Putin schloss eine Beteiligung des Staates an Dopingvergehen von Sportlern aus. „Von staatlicher Seite haben wir gegen Doping im Sport gekämpft und werden das auch in Zukunft tun.“ Er wolle sich für seine Sportler einsetzen, denn „es kann nicht sein, dass das gesamte Team die Schuld für Einzelne tragen muss“, zitierte ihn die Agentur Interfax.

Gespaltene Reaktionen aus der Sportwelt: Pro und Contra

„Es wäre unfair, wenn saubere Athleten ausgeschlossen werden“, schrieb Russlands Olympisches Komitee in einem offenen Brief an IOC-Präsident Thomas Bach. „Das Recht jedes Athleten, der nie eine bestehende Regel verletzt hat, an den Spielen teilzunehmen, ist unverletzlich.“
Diskus-Olympiasieger Robert Harting pochte auf den Ausschluss, es gehe um die Glaubwürdigkeit des Sports. Österreichs beste Langstrecken-Bahnläuferin Jennifer Wenth sagt: „Es ist hoffentlich für andere Länder ein abschreckendes Zeichen, dass man nicht so weitermachen kann.“

Russlands Verband ruft den Sportgerichtshof CAS an

Dass Russlands Verband nun vor den Sportgerichtshof CAS ziehen wird und gegen die Sperre berufen wird, gilt als wahrscheinlich. Die IAAF will zuwarten, ebenso die Welt-Anti-Doping-Agentur. Coe sagt: „Es ist unsere Angelegenheit, unsere Entscheidung und nicht die des IOC oder irgendjemand anderem. Es ist klar, dass damit keine Russen bei Olympia dabei sind – definitiv nicht unter russischer, vielleicht unter neutraler Flagge.“

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

ATHLETICS-DIAMOND-QAT
Mehr Sport

Rio oder Rauswurf: Russland spaltet den Weltsport

Russlands Leichtathleten erfahren heute in Wien, ob sie bei Olympia in Rio de Janeiro starten dürfen. Es deutet jedoch alles darauf hin, dass die seit 13. November 2015 geltende Aussperrung von internationalen Bewerben fortgesetzt wird – es gibt gehörige Zweifel am russischen Neubeginn.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.