Rios vergiftete Lagune, ein trügerisches Idyll

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In der Lagune Rodrigo de Freitas finden alle Ruder- und Kanubewerbe statt. Dass Umweltschützer und Biologen aber vor Viren, Bakterien und verschmutztem Wasser warnen, wurde von der Stadtregierung jahrelang überhört.

Rio de Janeiro/Wien. Auf den ersten Blick ist die Lagune Rodrigo de Freitas in Rios Stadtteil Lagoa ein echtes Idyll. Ein stolzes Gewässer, zweieinhalb Quadratkilometer groß, mit Blick auf den Corcovado und die Christus-Statue, rundum grün. Die Tierwelt, meint man, fühlt sich hier zu Hause. Der nahe Verkehr ist zu sehen und der Autolärm auch zu hören, doch bei diesem Anblick stört er nicht weiter.

Wer sich aber dem Wasser nähert, bei dem wächst schrittweise das Unbehagen. Dort Müll, Abfall, da eine leere Dose, auch der süßlich beißende Geruch irritiert. Oft gab es hier Massenfischsterben, denn das Wasser ist vergiftet. In der Lagune, etwa einen Kilometer vom Atlantik entfernt, sind Klär- und Abwassersysteme trotz aller Beteuerungen der Rio-Stadtregierung und der Olympia-Organisatoren weiterhin eine Illusion. Hier wird das Abwasser aus allen umliegenden Favelas vollkommen ungefiltert hineingespült. Hier finden ab 6. August die Ruderbewerbe der Sommerspiele 2016 statt.

„Nicht ohne Impfung!“

Wer dieses Wasser trinkt, wird krank. Viren und Bakterien aller Art sind hier zu finden, Biologen wie der Italiener Mario Moscatelli, der seit 20 Jahren in Rio de Janeiro forscht, warnen weiterhin entschieden davor, mit diesem Wasser in Kontakt zu kommen. Doch ungeachtet dessen läuft der Countdown für die Spiele weiter.

Seine eindringlichen Worte klingen angesichts all der Versprechungen aus dem Jahr 2009, als Rio die Spiele erhalten und großartige Besserung gelobt hat im Kampf für die Umwelt, wie blanker Hohn. Moscatelli sagt, dass die für Kläranlagen eingeplanten Milliarden umgewidmet worden und in private Taschen gewandert sind. Und er hofft, dass alle Olympiastarter gesund sind und es auch bleiben; einen Tipp hat er für Besucher dennoch parat: „Ohne Hepatitis-A-Impfung würde ich in all diesen Gewässern rund um Rio auf keinen Fall Sport betreiben . . .“
Doch die Strecken für Ruder- und Kanubewerbe sind längst aufgebaut. Startanlage, Zielturm, Markierungen, es ist für die Spiele alles da, sogar die Tribünen für 14.000 Zuschauer sind aufgebaut. Doch wer das Lagunenwasser trinkt, bekommt Probleme. „Dann wird es gefährlich. In solchen Momenten wird dir unwohl“, sagte etwa Franziska Weber, die im Kajakzweier über 500 Meter zusammen mit ihrer Partnerin, Tina Dietze, Gold in London 2012 gewonnen hatte, der Deutschen Presse-Agentur.

Und dann die Chemiekeule

Bei einem Wassersport Kontakt mit Wasser zu vermeiden ist aber schlichtweg unmöglich. Die Olympia-Veranstalter mühten sich, mit Spezialreinigungsbooten wie beim Segelrevier vor der Guanabara-Bucht wird täglich stundenlang versucht, Müll zu bergen und so die Wasserqualität zu verbessern – Viren und Bakterien aber bleiben, also wird mit dem Beginn der Spiele der Gegenangriff mit Chemie erfolgen. Was das für (die längst vergiftete) Flora und Fauna bedeutet, bleibt abzuwarten. Es ist bedenklich, wenn Sportler darauf hoffen, dass es nicht regnet – damit es weniger Dreck hineinspült. (fin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2016)

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