Ivona Dadic: Der weite Weg zum großen Wurf

ATHLETICS - Mehrkampf Meeting 2016
ATHLETICS - Mehrkampf Meeting 2016(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Oliver Lerch)
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Ivona Dadic gewann bei der Leichtathletik-EM im Siebenkampf Bronze, auch bei Olympia sind 6400 Punkte ihr Ziel. Sie trainiert eisern elfmal die Woche – lebt das "System Dadic".

Die Leichtathletik-EM in Amsterdam war auf bestem Wege, sich für Österreichs Sportler zu einem gewohnten Fiasko zu entwickeln. Zürich 2014, London 2012 – null Medaillen. Ein Semifinale im Hürdenlauf war nach vier Tagen die magere Ausbeute. Doch dann rettete Ivona Dadic die Titelkämpfe. Die Oberösterreicherin, 22, gewann Siebenkampf-Bronze – das ist kein alltägliches Ereignis für den rot-weiß-roten Sport. Am Ende brachte es die Mehrkämpferin auf 6408 Punkte, eine Verbesserung des von ihr selbst gehaltenen ÖLV-Rekordes um über 200Punkte. Die Leistung bedeutete zugleich das Limit für Olympia in Rio de Janeiro – aber, gewinnt sie nun auch bei den Sommerspielen Edelmetall? Der Vergleich mit London 2012 zeigt: Dadic wäre damit Zehnte geworden.

Entdeckt wurde sie als Volksschülerin aus Offenhausen bei einer Laufolympiade in Wels. „Dabei war ich als Spätgeborene des Jahrgangs 1993 eine der Jüngsten im Feld“, erinnert sich Dadic im Gespräch mit der „Presse“. Und bald trat sie dem Welser Leichtathletikverein um Michael Hager bei. Zweimal pro Woche wurde die Schülerin von ihrer Mutter in das 20 Kilometer entfernte Wels zum Training kutschiert. „Ohne die Unterstützung meiner Eltern wäre da gar nichts gegangen“, erzählt sie.


Auftakt in Cesenatico. Nach der Hauptschule wechselte sie in die Sporthandelsschule nach Linz, wo Wolfgang Adler das Training übernahm. Jeden Tag musste sie um 5.15 Uhr raus aus den Federn, dreimal mit Bus und Zug umsteigen, um pünktlich zum Vormittagstraining zu erscheinen. Erster Lohn für die Mühen war der Sieg bei der Crosslauf-Meisterschaft als 14-Jährige.

2008 bestritt der Klub ein Trainingslager in Cesenatico – Dadic entdeckte da den Siebenkampf. Sie sprang auf Anhieb 1,50 Meter hoch. Das war das Zeichen für den Trainer, doch auch andere Disziplinen wie Sprung und Wurf auszuprobieren. Noch im gleichen Jahr gewann das Multitalent die ersten Nachwuchstitel im Mehrkampf. „Weitere vier Jahre später habe ich mit Wolfi das Limit für London geschafft“, erzählt Dadic, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Und stellt auch das Team mit dem Trainer in den Mittelpunkt. „Trotz Amsterdam und Olympia wird Götzis 2012 mir das ganze Leben in Erinnerung bleiben. Da stellt es mir noch heute die Haare auf“, schwärmt sie noch heute vom Debüt im Mehrkampfmekka in Vorarlberg. Damals war sie 18 und hatte im Feld mit Weltklasseathletinnen mit österreichischem Rekord und Olympialimit den Durchbruch geschafft.


Viele Familienfeiern verpasst. Opfer für Topplatzierungen werden genug gebracht. „In Wochen ohne Wettkampf trainiere ich zehnmal die Woche, in der Aufbauzeit sogar elfmal. Als ich noch kein Auto hatte, brachte mich mein heutiger Trainer, Gregor Högler, oft erst um 21 Uhr nach Hause“ erzählt Dadic von den Mühen des Trainingsalltags. Sie wird durch ihre große Familie geprägt, dabei unterstützt. „Meine Eltern kommen aus Kroatien“, sagt die Welserin. „Dort ist es üblich, viele Familienfeiern zu haben. Leider müssen viele dieser Zusammenkünfte ohne mich ablaufen.“ Dies falle ihr manchmal schwer und sei ihr größter Verzicht. Natürlich würde sie wie viele andere junge Menschen in ihrem Alter gern weggehen, aber das gehe während der Saison gar nicht.

Für den gegenwärtigen Erfolg ging Dadic sogar den Umweg über Großbritannien. 2012 übersiedelte sie zur Trainingsgruppe um Olympiasiegerin Jessica Ennis-Hill nach Sheffield. Diese Zeit war nicht einfach. In dem siebenköpfigen Team konzentrierte sich alles um Ennis-Hill, nach deren Trainingsplan sich alle richten mussten. Dazu kamen zwei Meniskusoperationen, mit der Schwangerschaft der britischen Ausnahmeathletin hatte sich die Gruppe mehr oder weniger aufgelöst. Dennoch bleibt die Britin ihr Idol: „Für mich ist sie eine großartige Sportlerin und Persönlichkeit. Sie war sich als Olympiasiegerin nicht zu schade, mich von zu Hause abzuholen.“

Nach einigen Monaten im Selbstfindungsprozess, in dem auch ein Ende der Karriere im Raum stand, entschied sich Dadic 2014 mit dem ÖLV und dem Bundesheer für einen Neuanfang. Neben Haupttrainer Gregor Högler kamen ÖLV-Cheftrainer Philipp Unfried, Jugendtrainer Adler und das ukrainische Ex-Hochsprung-Ass Inga Babakova hinzu, sodass alle Mehrkampfdisziplinen durch Spezialtrainer abgedeckt sind. Physiotherapeuten und Masseure runden das Team ab. So entstand in der Südstadt, wo die Rekordlerin trainiert, ein System Dadic, so wie es das System Ennis in Großbritannien gab.

Jeder Spitzenathlet, der Erfolge feiern möchte, brauche Druck. Sonst fehle der Ansporn zu richtig guten Leistungen, glaubt Dadic. Aber kann man als Leichtathletin in Österreich vom Sport leben? Es ist doch auch Profitum. Dadic sagt Ja. Mit dem Bundesheer, Kornspitz als Hauptsponsor, Partner Nike sowie der Förderung durch das Projekt „Rio 2016“ komme sie über die Runden. Ihr sei aber bewusst, dass dies nur bei wenigen heimischen Athleten der Fall ist. Um finanziell etwas aufzubauen, ist es zu wenig. Dazu brauchte es Medaillen, aber dafür kommt Rio noch zu früh. Was 2020 in Tokio passieren wird, ist Zukunftsmusik. Auf die Frage, was denn passiere, wenn einmal etwas richtig aufgehe, will sie nicht eingehen. Sie lächelt, die 22-Jährige scheint für sich schon eine Antwort gefunden zu haben.

Steckbrief

1993
wird Ivona Dadic am 29. Dezember in Wels geboren.

2007
gewann sie ihren ersten Nachwuchstitel im Crosslauf.

2008
feierte die Welserin ihre Premiere: erster Mehrkampftitel in der Jugendklasse.

2012
qualifizierte sich Siebenkämpferin Dadic für Olympia in London.

2016
schraubte die Mehrkämpferin den ÖR auf 6408 Punkte, gewann EM-Bronze und schaffte das Limit für Rio.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2016)

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