Die verbrannte Erde nach den Spielen

Das Wandbild „Etnias“ des berühmten brasilianischen Graffiti-Künstlers Eduardo Kobra lockt zahlreiche Olympia-Touristen in Rios Hafengegend Porto Maravilha
Das Wandbild „Etnias“ des berühmten brasilianischen Graffiti-Künstlers Eduardo Kobra lockt zahlreiche Olympia-Touristen in Rios Hafengegend Porto Maravilha(c) imago/ZUMA Press (imago stock&people)
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Sport-Großveranstaltungen haben den Ruf, Geld und Touristen ins Land zu bringen. Zu Unrecht. Oft enden sie sogar in einem finanziellen Desaster. Auch weil IOC und Fifa immer mehr TV-Gelder selbst einstecken.

Wien. Kaum etwas versetzt die Bürgermeister dieser Welt so in Ekstase wie die Chance, die Olympischen Spiele, eine Fußball-WM oder andere Großereignisse in die Heimat zu holen. Die Veranstaltungen versprechen Massen an Touristen, riesige Investitionen und großen Imagegewinn. Leider bleiben diese Versprechungen meist so leer wie die überdimensionierten Sportstätten nach dem Ende der Spiele.

Es gibt Ausnahmen, keine Frage – aber immer öfter entpuppen sich sportliche Großveranstaltungen für die Austragungsorte als wirtschaftliches Desaster. Inzwischen hat sich das Image von Olympischen Spielen in der westlichen Welt derart verschlechtert, dass immer weniger Städte sich den Bewerbungsprozess antun wollen.

Für die Olympischen Winterspiele 2022 waren überhaupt nur zwei Orte im Rennen. Peking, China, und Almaty, Kasachstan – beides weder Vorzeigedemokratien noch besonders wintersportaffin. Peking hat am Ende den Zuschlag erhalten. Wie das britische Magazin „Economist“ berichtet, hat eine Untersuchung der schwedischen Regierung schon 2012 davor gewarnt, dass in der Zukunft nur noch undemokratische Länder das Geld für Olympische Spiele aufbringen werden, weil sie sich eine Imagepolitur erhoffen. Die Gründe für diese Entwicklung sind eine Mischung aus den speziellen ökonomischen Bedingungen von Sport-Großveranstaltungen – und den Anforderungen von IOC und Fifa an die Austragungsorte.

Beispiel Klagenfurt

Nehmen wir die Fußball-EM 2008 in Österreich und der Schweiz als Beispiel. Hier wurden nur sehr wenige Fehler gemacht. Eine Stadt wie Wien konnte profitieren – auch langfristig. Immerhin wurde das historische Praterstadion renoviert und die U-Bahn ausgebaut. Aber auch in der Kärntner Landeshauptstadt, Klagenfurt, steht jetzt ein großes Stadion, das nicht einmal beim vorletzten Testspiel der Nationalmannschaft vor der Euro in Frankreich ausverkauft war.

Unkraut im Radstadion

Sehr erfolgreich waren auch die Sommerspiele 1984 in Los Angeles, schreibt der „Economist“. Ähnlich wie bei der Euro in Wien waren damals in L.A. viele Sportstätten bereits vorhanden, sodass die Stadt in den Ausbau der Infrastruktur investieren konnte.

Aber, wie der US-amerikanische Sportökonom Andrew Zimbalist in seinem Buch „Circus Maximus“ schreibt: Inzwischen bevorzugen die Verbände konkret Bewerbungen, die besonders stark auf neu zu errichtende Sportstätten setzen. Das führt zu drei großen Problemen: Korruption, völlig überzogene Kosten in der Vorbereitung – und leer stehende Sportstätten nach dem Ende der Spiele.

Zimbalist listet die ärgsten Relikte in seinem Buch auf: In Athen wird ein olympisches Volleyballstadion heute von Hausbesetzern und Obdachlosen bewohnt, ein Softballfeld ist inzwischen zugewachsen. In Peking radelt auf der Rennstrecke längst niemand mehr – stattdessen sprießt das Unkraut. In Brasilien spielt ein Zweitligaverein vor 1500 Menschen in einem Stadion, in das 40.000 Menschen passen würden. Diese Bauten müssen erhalten und bespielt werden, was langfristige Kosten bedeutet. Oder sie verfallen.

Auch das Tourismusargument zieht nicht wirklich. Niemand braucht eine Erinnerung daran, dass es Rio, Peking oder London gibt. Gerade im Fall derart großer Städte, die sowieso Tourismusmagnete sind, haben die Spiele sogar eine negative Folge: Wer sich für Sport nicht interessiert, meidet die Austragungsorte während der Spiele eher – auch weil die Hotelpreise meist überzogen sind. Das Ergebnis: In London und Peking waren während der jeweiligen Olympischen Sommerspiele weniger Touristen als in normalen Sommern.

IOC streicht TV-Gelder ein

Das allergrößte Problem für die Austragungsorte ließe sich aber leicht beheben: die Gier von IOC und Fifa. Denn die beiden Organisationen lassen den Veranstaltern immer weniger vom extrem lukrativen Kuchen der TV-Gelder. Das Argument: IOC und Fifa würden die organisatorischen Kosten der Spiele tragen, also den täglichen Ablauf organisieren – aber dabei handelt es sich nur um einen Bruchteil der Gesamtkosten einer solchen Veranstaltung, von den Folgekosten für das Austragungsland ganz zu schweigen.

Seit den Sommerspielen 2004 sind die TV-Einnahmen für die Veranstalter sogar zurückgegangen – während sie insgesamt gestiegen sind. Das IOC hat sich bei den jüngsten Sommerspielen mehr als 70 Prozent von insgesamt rund 2,5 Mrd. Dollar an TV-Geldern eingesteckt (siehe Grafik). Früher, als etwa Los Angeles seine Spiele veranstaltet hat, war das Verhältnis noch ganz anders: Von 1960 bis 1980 kassierte das IOC lediglich vier Prozent der TV-Einnahmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2016)

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