Ungarns Fernsehen schweigt zu olympischer Flüchtlingssportlerin

Yusra Mardini
Yusra MardiniAPA/AFP/MARTIN BUREAU
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Die syrische Schwimmerin Yusra Mardini gewann ihren Vorlauf. Der Staatssender verschwieg bei der Übertragung ihren Namen ebenso wie ihre Herkunft.

Für das staatliche ungarische Fernsehen ist das zehnköpfige Flüchtlingsteam, das in Rio de Janeiro erstmals bei Olympischen Spielen antritt, so gut wie Luft. Als Yusra Mardini ihren Vorlauf über 100 Meter Delfin gewann, berichtete MTV zwar live. Der Reporter nannte aber ihren Namen nicht. Nicht einmal, als sie als Siegerin anschlug. Auch ihren besonderen Status verschwieg er. Der betroffene Reporter rechtfertigte sein Schweigen mit technischen Problemen bei der Übertragung.

Nach dem Rennen drängten sich umso mehr Reporter um Mardini. Die 18-Jährige erzählt ihre Geschichte - auf einem Podest stehend mit einem Mikrofon, damit auch die Reporter in der hintersten Reihe sie verstehen können. "Meine Botschaft ist einfach: niemals aufgeben", sagte die Schwimmerin am Samstag in Rio de Janeiro. Worte wie diese kommen Spitzensportlern gerne über die Lippen. Für Mardini haben sie eine tiefere Bedeutung.

Flüchtlingsboot schwimmend gerettet

Das Flüchtlingsmädchen aus Syrien hatte mit ihrer Geschichte für Aufsehen gesorgt: Gemeinsam mit ihrer Schwester hatte Mardini in der Ägäis ein kenterndes Flüchtlingsboot schwimmend nach dreieinhalb Stunden sicher an Land gebracht. "Ich habe daran keine schlechte Erinnerung. Im Gegenteil. Ohne das Schwimmen wäre ich vielleicht nicht mehr am Leben", sagte Mardini.

Sie gehört nun zum zehnköpfigem Flüchtlingsteam, das bei der Eröffnungsfeier unter der Flagge mit den fünf olympischen Ringen einmarschiert und neben Gastgeber Brasilien mit dem meisten Jubel bedacht worden ist. Im Gegensatz zu den meisten anderen Schwimmern, die 14 Stunden später ihre Vorläufe bestreiten mussten, war Mardini am Abend zuvor im Maracana dabei.

Der sportlichen Leistung ist stundenlanges Stehen kurz vor einem Wettkampf zwar nicht zuträglich, doch um Sport allein geht es bei Mardinis Auftritt nicht. Ihr werden die großen Fragen gestellt, auf die selbst Regierungschefs in Zeiten der andauernden Flüchtlingskrise keine rechte Antwort gefunden haben. Mardini weiß um das Interesse nach monatelangem Medien-Marathon. Und sie liefert die Antworten.

Mardini: "Flüchtling ist kein Schimpfwort"

"Ich möchte allen sagen, dass Flüchtling kein Schimpfwort ist. Wir sind Menschen, wir können viele gute Dinge tun, um zu zeigen, wer wir sind", erklärte Mardini in bestem US-Englisch. Kluge Gedanken einer jungen Frau, die zu früh erwachsenen werden musste? Oder zurechtgelegte Sätze, nach denen die Medienwelt in diesen Zeiten verlangt?

Die sportlichen Fakten ihres Rennens über 100 Meter Delfin: Mardini gewann ihren Vorlauf gegen zwei andere Schwimm-Underdogs in 1:09,21 Minuten, blieb aber über ihrer persönlichen Bestzeit - das reichte am Ende zu Platz 41 unter 45 Schwimmerinnen. Ihr neues Zuhause hat sie in Berlin gefunden. Mit ihrem deutschen Trainer Sven Spannekrebs bereitet sich Mardini nun auf die 100 Meter Kraul am Mittwoch vor.

(APA/dpa)

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