Schwimmen: Der Kraftakt der „Iron Lady“

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SWIMMING-OLY-2016-RIOAPA/AFP/FRANCOIS-XAVIER MARIT
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Olympiagold mit Weltrekord – während die Ungarin Katinka Hosszú die Sportwelt erstaunen lässt und auch andere Bestmarken knacken, läuft es für Österreich nicht nach Wunsch.

Rio de Janeiro. Der Jubel ihres Trainer-Ehemanns, Shane Tusup, war in der Schwimmhalle von Barra nicht zu überhören. Er brüllte, klopfte sich minutenlang à la King Kong auf die Brust – und mit ihm war auch ganz Ungarn vollkommen aus dem Häuschen. Denn Katinka Hosszú, 27, hat es nach fünf WM-Titeln erstmals geschafft, eine Olympiamedaille zu gewinnen. Sie triumphierte über 400 Meter Lagen mit neuer Weltrekordzeit von 4:26,36 Minuten.

Gold ist für die „Eiserne Lady“ Balsam nach einer langen Reise, die bei drei Spielen seit 2004, zig Medaillen bei einer Kurzbahn-WM und Rekorden stets leer ausgegangen ist. Sie pulverisierte regelrecht die Bestzeit der Chinesin Ye Shiwen von London 2012 um 2,07 Sekunden. Das sind, vor allem in dieser Disziplin mit ungemein kraftraubenden Einheiten mit Schmetterling, Rücken, Brust und Kraul, wahrlich Welten. Die Amerikanerin Maya DiRado dachte sogar, sie würde führen, weil sie die Ungarin in der Bahn neben ihr gar nicht mehr sah. Sie war ihr teilweise um fünf Sekunden voraus . . .

Pack die Badehaube aus!

Nicht nur die Schwimmwelt rätselt nun über diese Leistungsexplosion, neben Hosszú gelangen auch Australiens 4x100-Meter-Damen (3:30, 65 Min.; die Schwestern Cate und Bronte Campbell wurden zusammen Olympiasiegerinnen) und dem Engländer Adam Peaty (100 Meter Brust: 57,55 Sek.) neue Weltrekorde. Drei Topzeiten am ersten Tag, das ließ für alle weiteren Events eine Flut an Topzeiten erwarten, allein schon der Wahrscheinlichkeitsrechnung wegen.

Ist es der Pool, der diese Zeiten aufgrund seiner strömungsfreundlichen Bauweise ermöglicht? Sind es die neuen Badehauben, die im Zusammenspiel mit den Brillen eine optimalere Wellenbrechung mitbestimmen und dem Schwimmer helfen sollen? Zumindest wurde das in den Katakomben, freilich von diversen Ausrüstern, als Antwort kredenzt. Für weitere Optionen gilt die Unschuldsvermutung.

Hosszú aber hat Antworten parat, sogar nachvollziehbare. Stinksauer sei sie gewesen, der Ehrgeiz, auch bei Olympia endlich zu gewinnen, war enorm. „Seit sieben Jahren haben wir daran gearbeitet“, sagte der Star aus Pécs, „seit 2012 bin ich als Profi im Pool unterwegs. Der Druck war enorm, mein Mann hat mich perfekt vorbereitet. Wir hatten jahrelang keinen einzigen freien Tag.“ Wenngleich Rios Strände bereits verlockend rufen, sie bleibe diese Woche noch in der Halle und werde alles daransetzen, erneut die (nur im TV zu sehende) Weltrekordlinie abzuhängen.

Sie ist eben die „Iron lady“, vermarktet sich in Ungarn als Star, und ihr Einsatz lässt sich auch hochrechnen. Sie trainiert täglich acht bis neun Stunden, hat keinerlei Scheu davor, Blut zu spucken oder sich zu übergeben, wenn sie ihren Körper „überlastet“ hat. Hosszú sucht diesen Grenzgang, beteuert sie immer wieder – und das rentiert sich. Auch finanziell, sie ist die einzige Dollarmillionärin im Pool, dank endloser Erfolge auf der gut dotierten Kurzbahn. Und nun sind weitere Millionen gewiss, dank Olympiagold und Weltrekord.

Wo sind die Österreicher?

Österreichische Gewinner suchte man an diesem Finalabend im Aquatics Centre vergeblich, man wird bei diesen Spielen womöglich auch keine finden. Die Zeiten, in denen Markus Rogan (2004) und Mirna Jukić (2008) Medaillen gewonnen haben, sind vorbei. Während Rogan in Rio Brasiliens Schwimmern als Motivator dient und Jukić für das IOC akkreditiert ist, war auch von Österreichs letzter Hoffnung, Dinko Jukić (Vierter in London 2012), zuletzt nichts mehr zu hören. Nun gilt es, andere, weitaus niedrigere Ziele zu erreichen – und selbst an diesen scheitern die OSV-Starter. David Brandl wurde 40. über 400 Meter Kraul. Der talentierte, aber in diesem Fall zu ungestüm anhebende Felix Auböck blieb in 3:49,35 Minuten vom erhofften Finale weit weg, wurde 25. Doch Experten sagen, dass ihm (Österreichs) Zukunft gehöre. Jördis Steinegger landete über 400 Meter Lagen in 4:47,85 auf Rang 29. Sie lag damit ca. 21 Sekunden hinter Hosszú zurück.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2016)

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