Bachs Rücktritt ist die einzige Last-Exit-Strategie

Der Sportgerichtshof CAS entscheidet: Wer die Strafe verbüßt hat, darf bei Olympia starten. Egal, ob Russe oder nicht.

IOC-Präsident Thomas Bach hätte am besten gleich bei der Eröffnungsfeier der Sommerspiele in Rio de Janeiro seinen Rücktritt verkünden sollen. Aber natürlich, es geschah nicht, denn dafür fehlt die Größe des letzten, entscheidenden Schrittes. Der Deutsche hat es tatsächlich geschafft, die Sportwelt in der Russland-Frage zu spalten.

Er hat mit seiner Entscheidung, entgegen allen Empfehlungen und Erwartungen der Welt-Antidoping-Agentur (Wada) aufgrund des erbrachten Nachweises von staatlich organisiertem Doping, saubere Russen doch für Rio, aber ehemalige Dopingsünder partout nicht in Brasilien sehen zu wollen, für ein ungeheures Fehlurteil gesorgt. Denn der Sportgerichtshof CAS hob seine Entscheidung auf, für einen Juristen wie ihn, für einen IOC-Präsidenten, ist das mehr als nur eine beschämende und schallende Ohrfeige.

Es ist ein simples Prinzip jedes Rechtsstaats: Wer seine Strafe verbüßt hat, hat wieder alle Rechte in der Gesellschaft. Also darf auch ein Russe, der gedopt hat und dafür verurteilt wurde, nach Ablauf der Sperre nicht von Olympischen Spielen ausgesperrt werden – vor allem auch dann nicht, wenn Dutzende andere aus diversen Nationen mit der gleichen Vorgeschichte in Rio teilnehmen dürfen, von der fadenscheinigen Glaubwürdigkeit ganz zu schweigen. Was hat sich Bach, der in der Russland-Krise eine extrem schwache Rolle spielt, dabei gedacht?

Ein Urteil der höchsten Sportgremien zeigt die Inkompetenz der höchsten Sportorganisation auf, das Internationale Olympische Komitee steht damit vor einem Scherbenhaufen, den selbst eloquente PR-Berater nicht mehr schönreden können. Bis Freitag wusste man ja auch nicht, wie viele Russen denn überhaupt starten dürfen, jeder der 28 Weltverbände urteilte unterschiedlich. Jetzt sind es 271 Sportler. Warum aber kein russischer Leichtathlet mitmachen darf? Diese Erklärung schaffte nicht einmal mehr das IOC rational auszuformulieren. Diese Spiele sind eine komplette Farce, dabei haben sie eben erst begonnen.

Der Sportgerichtshof gab der Schwimmerin Julia Jefimowa und den Ruderern Anastassija Karabelschtschikowa und Iwan Podschiwalow recht, die Einspruch gegen diese Doppelbestrafung eingelegt hatten. Grundrechte der Athleten, so steht es im Urteil, wurden verletzt. Nun muss es aber auch Julia Stepanowa – sie ist die Kronzeugin des aufgeflogenen Dopingskandals – möglich sein, in Rio zu starten. An dieser Tatsache gibt es kein Umhinkommen. Ihr hat man seitens des IOC die ethische Qualifikation ja aufgrund ihrer Dopinghistorie ebenfalls abgesprochen, obwohl ihr aufgrund der Mithilfe vorab das Startrecht von den Dopingjägern und dem Leichtathletikweltverband IAAF zugesichert worden ist.

Die Sympathie für Doper und Betrüger hält sich weltweit in Grenzen. Für Funktionäre aber, die sich das Recht nach Befinden zurechtbiegen und Beweise (Wada-Bericht) aufgrund welcher Motive auch immer kategorisch negieren und obendrein schlechtreden, gibt es keine Entschuldigung. Es mangelt an Glaubwürdigkeit, und ein Präsident, der so agiert, ist für eine Organisation, die sich als höchste Institution im Sport versteht, nicht länger tragbar.

E-Mails an: markku.datler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2016)

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