Superlative

Am Beispiel des irrwitzigen Zlatan Ibrahimović: Da Sportberichterstattung nur noch aus Superlativen besteht, kann das seltsame Blüten treiben.

Viel wurde in dieser Woche über „Tore des Jahres“ und „Tore des Jahrhunderts“ diskutiert. Die Fifa war in diesem Fall um wenige Stunden zu voreilig. Sie hat eine Liste von in der Tat sehenswerten Treffern veröffentlicht, die den sogenannten Puskás-Preis auch verdienen würden. Spieler wie der Argentinier Lionel Messi oder der Brasilianer Neymar werden angeführt, ebenso die Mexikanerin Olivia Jimenez. Einen Zlatan Ibrahimović aber vermisst man. Auch bei der Kür zum „Tor des Länderspieltages“ wurde der schwedische Superstar glatt übersehen. Die Fifa entschied sich nämlich für den US-Nationalspieler Michael Bradley, der beim 2:2 seiner Mannschaft in Russland per Volleyschuss getroffen hat. Auch hier könnte man mit der Zunge schnalzen, aber sind die hohen Fußballherren mit Blindheit geschlagen, dass sie diese künstlerisch zelebrierte Einlage von Ibrahimović nicht gesehen haben? Zumindest der Protagonist nahm's mit Humor: „Ich hatte gesehen, dass ich nicht nominiert war. Also wollte ich dieses Problem lösen.“

Es gibt Tore, die sind nur schwer zu beschreiben. Weil man sie einfach in bewegten Bildern erlebt haben muss. Die neue Friends Arena in Solna hat beim 4:2 gegen England jedenfalls gleich eine Sternstunde, einen wirklich glamourösen Abend erlebt. Wie Zlatan Ibrahimović seine 90 Kilogramm akrobatisch und elegant zugleich in die Höhe beförderte, das alleine verdient schon Bewunderung. Aus 40 Meter per Fallrückzieher dann auch noch ein leeres Tor zu treffen, das grenzt an Fähigkeiten, die man hierzulande im Fußball höchstens vom Hörensagen kennt. Selbst Marko Arnautović, sicher der gesegnetste aller ÖFB-Teamspieler, wird große Augen gemacht haben. Aber zur Nachahmung sind solche Bewegungsabläufe nicht empfohlen. Vielleicht irgendwann einmal, wenn niemand mehr über die tägliche Turnstunde diskutiert, weil sie längst selbstverständlich geworden ist.

Ibrahimović, bosnisch-kroatischer Herkunft, polarisiert, er pendelt zwischen Genie und Wahnsinn. Genau das macht den Superstar, der seine Geschmeidigkeit dem jahrelangen Taekwondo-Training zuschreibt, zur Reizfigur. Dazu kommt die Tatsache, dass der 31-Jährige ein echter Schwerverdiener ist. 15 Millionen Euro soll ihm der Scheich aus Katar jährlich dafür zahlen, dass er dessen Klub Paris Saint-Germain zum Meistertitel schießen möge.

Wenn besondere Leistungen vollbracht werden, dann überschlagen sich die Medien, dann kommen sie ohne Superlative nicht aus. Genial alleine genügt dann nicht mehr, wenn das Außergewöhnliche im Internet (YouTube) doch so leicht zu finden ist. Beruhigend jedenfalls, dass selbst der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ Fehler passieren. Sie hatte in Zusammenhang mit dem Ibrahimović-Wahnsinn auf ein angeblich noch tolleres Tor verwiesen. Auf eines, das jedoch nur in einem Videogame erzielt wurde. Dumm gelaufen. Wie sonst so oft in Österreich.

wolfgang.wiederstein@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2012)

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