Wenn es einen WM-Titel zu feiern gibt, dann gibt es auf einmal keine Vorurteile.
Der Formel-1-Zirkus würdigt den neuen und alten Weltmeister, dem der Titel diesmal nicht in den Schoß gefallen ist. Der 25-jährige Deutsche hat sich als Champion erwiesen, weil er bewiesen hat, dass er für den Erfolg auch beißen kann. Und die Möglichkeiten, die sich bieten, auch beim Schopf packt. Das unterscheidet ihn von vielen anderen Piloten. Wer der Königsklasse des Motorsports den Stempel aufdrückt, der ist nicht nur als Glückskind oder Gelegenheitssieger zu bezeichnen.
Mit Red Bull feiert auch Österreich einen Triumph, das war in den vergangenen beiden Jahren nicht anders. Einige Medien haben den jungen Mann aus Hessen längst zu einer Art Beuteösterreicher gemacht, nach Siegen von ihm wird ja schließlich auch die österreichische Bundeshymne zu Ehren des Rennstalls gespielt. Dann dürfen wir alle ungeniert und ausgelassen ein bisserl Vettel sein, weil die Laudas und Bergers nicht mehr im Kreis fahren. Nicht einmal ein zweiter Alexander Wurz ist auszunehmen. Aber uns Österreichern ist doch nichts lieber, als in emotionale Selbstzufriedenheit zu flüchten. Wenn's um Erfolgsbeteiligung geht, dann lieben wir auch die Deutschen. Und sogar Red Bull.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2012)