Es geht auch anders

Rivalität kann ebenso mit Respekt und Anstand ausgetragen werden. Die neuerliche Erkrankung von Barcelona-Trainer Vilanova hat nicht nur den spanischen Fußball schockiert.

Sie sind ewige Rivalen, die sich nichts schenken, Erzrivalen eben. Aber es gibt Momente, in denen auch die größten Rivalitäten ruhen. Die erneute Krebserkrankung von Tito Vilanova, dem Trainer des FC Barcelona, hat nicht nur bei den Katalanen einen Schock ausgelöst. Der 44-Jährige musste sich im Krankenhaus Vall d'Hebron einer neuerlichen Operation unterziehen. Der chirurgische Eingriff sei erfolgreich gewesen, das hat der Klub dieser Tage bekannt gegeben. Der Tumor habe nicht gestreut.

Als einer der Ersten hat Real Madrid auf die Erkrankung des Barcelona-Trainers, der das schwere Erbe von Josip Guardiola angetreten hat, reagiert. „Wir versichern die ganze Unterstützung, Liebe und Zuneigung“, hieß es in einer offiziellen Aussendung. Der Kapitän des königlichen Balletts, Iker Casillas, postete auf seiner Facebook-Seite: „Es ist unmöglich, dass du dieses Spiel verlierst.“ Selbst aus dem Tennislager trudelte mentale Unterstützung ein. „Wir sind alle bei dir“, ließ Rafael Nadal, Neffe der Barça-Legende Miguel Angel, aber glühender Real-Fan, ausrichten. „Meine ganze Kraft und Unterstützung für Tito Vilanova.“

Bereits im November 2011 musste man dem leidenden Barcelona-Trainer einen Tumor an der Ohrspeicheldrüse entfernen. Im Mai erklärte ihn Vereinsarzt Ricard Pruna dann für vollständig geheilt. Eine Fehldiagnose, wie sich nun herausgestellt hat. Aber der 44-Jährige scheint sehr stark zu sein. Er ist ein Kämpfer. Sorgen macht er sich nur um seine Familie.

Erst vor einer Woche hat er in einem Fernsehinterview Einblick in sein Befinden während der Erkrankung aus dem Vorjahr gegeben. Der Vater zweier Kinder, 17 und 14 Jahre alt, nannte den Beistand der Familie als wichtigsten Genesungsfaktor. „Wenn dir so etwas passiert, brauchst du mehr denn je die Menschen um dich herum. Das ist der Moment, in dem sie dich nicht im Stich lassen dürfen, wenn wir am engsten zusammenrücken und beeinanderstehen müssen.“

Tito Vilanova, der ehemalige Guardiola-Assistent, wird nicht nur im spanischen Fußball respektiert. Dass der Krebs noch einmal ausgebrochen ist, das ist eine harte Prüfung. Vor seinem ersten Eingriff hat er optimistisch gemeint: „Ich war so zuversichtlich wie jemand, der nur vor die Türe geht, um einen Kaffee zu trinken.“

Als zusätzliche Inspiration dient der Spieler Eric Abidal. Der 33-jährige französische Nationalspieler hatte sich vor 21 Monaten einer Lebertransplantation unterziehen müssen. Der Weg zurück war mühsam, das Comeback ließ lange auf sich warten. Aber jetzt ist Abidal wieder da, er bekam von den Ärzten grünes Licht, wieder ins Training einsteigen zu dürfen.

Wie lange Vilanova seinen Trainerberuf nicht ausüben kann, das ist ungewiss. Im letzten Spiel des Jahres gegen Real Valladolid wurde er von Jordi Roura, dem Assistenten, vertreten. Der FC Barcelona schaut darauf, dass die Philosophie von Pep Guardiola fortgeführt wird. Die Katalanen ziehen dieses Konzept durch, Kritik prallt an einem Klub wie Barça ab. Vilanova haben Kritiker auch die Fähigkeit abgesprochen, die vielleicht beste Klubmannschaft der Welt führen zu können. Die Meinung haben alle längst revidiert. „Er ist pepistischer als Pep. Ein taktischer Feingeist mit Sinn fürs Kollektiv.“

Ob Tito Vilanova, der den Klub zum bislang besten Saisonstart geführt hat, den beruflichen Belastungen noch einmal gewachsen sein wird, das vermag niemand zu beantworten. Der Vereinspräsident versucht, Ruhe auszustrahlen. „Wir müssen versuchen weiterzumachen. Aber völlige Normalität wird es nicht geben.“ Die Unterstützung der Seinen ist dem Patienten sicher. Sogar die der Barça-Gegner.

wolfgang.wiederstein@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2012)

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