Spielraum

Die Fifa zeigt, wie ignorant ein Sport-Weltverband sein kann. Präsident Joseph Blatter wäscht wie immer seine Hände in Unschuld. Aber Missstände gibt es nicht nur in Katar.

Ein Steilpass
in die Tiefe des Sports

Diepresse.com/Sport

Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar 2022 soll also gerettet werden. Präsident Joseph (Sepp) Blatter hat dem Golfstaat einen Garantieschein ausgestellt, dabei hat man sich dieser Tage wieder nicht auf einen Spieltermin einigen können. Das Fifa-Exekutivkomitee hat sich lediglich zur Gründung einer Taskforce durchgerungen, mit einer Entscheidung ist vielleicht erst 2015 zu rechnen. Man kann aber davon ausgehen, dass in den Wintermonaten gespielt wird. Im Wüstensommer ist Spitzensport in Katar undenkbar.

Mit den aktuellen Problemen dort will sich der Weltverband eigentlich gar nicht wirklich befassen. Dass es auf den WM-Baustellen bereits zu etlichen Todesfällen gekommen ist, von moderner Sklaverei die Rede ist, wischt Sepp Blatter einfach weg. „Es tut uns sehr leid, was passiert ist“, sagt der Fifa-Präsident. „In jedem Land kann es geschehen, dass es Tote auf Baustellen gibt. Wer ist verantwortlich? Die Verantwortung der Arbeitsrechte in Katar ist eine Verantwortung der Unternehmen.“ Sportpolitischen Druck will die Fifa keinen ausüben. „Es darf uns nicht gleichgültig sein, aber es ist nicht Kontrollaufgabe der Fifa.“

Der Fußball-Weltverband wäscht die Hände in Unschuld, man schaut weg, fühlt sich nicht zuständig. Eine Haltung, die man in der Vergangenheit schon öfter eingenommen hat. Wie etwa 2010 in Südafrika oder vor wenigen Monaten beim Confederations Cup in Brasilien. Mehr als ein Höflichkeitsbesuch beim Emir in Katar ist nicht drinnen. Dass die WM-Stadien unter menschenunwürdigen Bedingungen errichtet werden, lässt Blatter, der einem Verband vorsteht, der für Fair Play wirbt, völlig kalt. Weil Geld nicht stinkt.

Wenn die Scheichs ihre Visionen („Qatar Vision 2030“, Olympia-Bewerbung) präsentieren, werden hohe Funktionäre schwach – und blind. Michel Platini, der Uefa-Präsident, war ursprünglich gegen eine WM im Golfstaat. Dann hat er aber doch auch zugestimmt. Ob es dabei mit rechten Dingen zugegangen ist, das ist bis heute nicht geklärt. Aber Korruptionsgerüchte wollen nicht verstummen.

Die Fifa hat mit dem New Yorker Anwalt Michael J. Garcia einen Chefermittler eingesetzt. Er soll Unregelmäßigkeiten nachgehen, sich auch mit der Vergabe der WM 2018 an Russland beschäftigen. Aber Garcia steht auf der schwarzen Liste des WM-Gastgebers 2018. Er soll als Jurist mitverantwortlich für die umstrittene Inhaftierung des russischen Waffenhändlers Viktor Bout gewesen sein – und wurde deswegen gemeinsam mit 18 US-Bürgern zur unerwünschten Person erklärt.

Michael Garcia darf also nicht einreisen, der Eiserne Vorhang wurde kurzerhand wieder heruntergelassen. Das war's dann auch mit den Ermittlungen in Russland.

wolfgang.wiederstein@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2013)

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