Spielraum: Ein brasilianischer Stürmer

Ein brasilianischer Stürmer im österreichischen Fußballnationalteam? Eine interessante Idee, aber noch lange nicht spruchreif. Dabei würde der Auswahl von Marcel Koller neue Konkurrenz durchaus gut tun.

Eigentlich platzte die Meldung ansatzlos in die Redaktionsstuben. Kaum hatte der Poker um die Vertragsverlängerung von Teamchef Marcel Koller ein gutes Ende für den ÖFB und den heimischen Fußball genommen, da stellte sich für den Verband die nächste Aufgabe. Denn in Salzburg gibt es einen Legionär, der angedeutet hat, eventuell einmal für Rot-Weiß-Rot spielen zu wollen. Die Rede ist vom Brasilianer Alan, der bei Vizemeister Salzburg unter Vertrag steht, in der Europa League mit einem Fallrückzieher glänzte und sich so nebenbei zum Thema Team geäußert hat. Fast wären die Sätze in der „Sportwoche“ untergegangen, ehe sie von Pay-TV-Sender Sky aufgegriffen wurden. Mittlerweile gibt es eine eigene Facebook-Seite, sie hat mehr als 10.000 Unterstützer, die Anzahl der Fans, die Alan im Nationalteam sehen wollen, ist also nicht zu unterschätzen. Weil Anhänger auch ein Gespür haben, wo die Auswahl von Marcel Koller Schwachstellen hat.

Der ÖFB-Cheftrainer, für weitere zwei Jahre verpflichtet, hat das Thema Alan vorerst nicht zum Thema gemacht. Solange der Brasilianer nicht im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft ist, stellt sich für den Schweizer die Frage nicht, ob er ihn einberufen soll oder nicht. Der Vertrag von Alan Douglas Borges de Carvalho in Salzburg läuft jedenfalls noch bis 2018. Für eine Spielgenehmigung des Weltverbandes muss ein Profi mindestens fünf Jahre durchgehend in seiner Wahlheimat gespielt haben. Einsätze für den ÖFB wären daher frühestens 2015 möglich. Und nicht einmal das ist sicher, denn Alan hat in früheren Jahren dreimal für Brasiliens Unter-20-Team gespielt. Ob es sich dabei um offizielle Fifa-Spiele gehandelt hat, das weiß nicht einmal Alan selbst. Der ÖFB konnte die Frage auch nicht aus dem Stand beantworten. Sportdirektor Willi Ruttensteiner wurde auf dem falschen Fuß erwischt.

Während in den nächsten Wochen die letzten WM-Tickets in Europa vergeben werden, die Play-off-Duelle auf dem Programm stehen, wird sich Österreich mit dem US-Team messen. In aller Freundschaft, aber mit der Verpflichtung, das Beste zu geben. Das war in Testspielen auch unter Marcel Koller eigentlich nie der Fall. Das Länderspiel wird also zur Charakterfrage. Und man wird Absagen äußerst kritisch verfolgen.

Einen Spieler wie Alan könnte Marcel Koller jedenfalls sicher gut gebrauchen, vor allem im Angriff ist die Decke recht dünn. Marc Janko hat zwar in der Türkei schon Erfolgserlebnisse gehabt, zum Stammspieler hat es der Mittelstürmer aber immer noch nicht gebracht. Andreas Weimann ist verletzt, der Aston-Villa-Legionär muss passen, auf Philipp Hosiner verzichtet Marcel Koller freiwillig. Der Austria-Stürmer ist auch bei seinem Verein derzeit nicht erste Wahl, dabei ist er im Sommer noch als heiße Transferaktie gehandelt worden. Hoffenheim hat für Hosiner 3,5 Millionen Euro geboten, wenn das Strafraum-Leichtgewicht so weitermacht, dann ist er bald nur mehr die Hälfte wert. Und Austria wird sich irgendwann ärgern, ihn nicht zum richtigen Zeitpunkt verkauft zu haben. Der Brasilianer Alan hingegen hat seinen Marktwert in Salzburg sicher steigern können. Das hat er mit Marcel Koller gemeinsam. Beruhigend, dass das in Fußball-Österreich überhaupt noch möglich ist.

wolfgang.wiederstein@diepresse.com diepresse.com/sport

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2013)

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