Ein kleines EM-Sommermärchen

Von Glücksfällen, goldenen Generationen und einem kleinen EM-Sommermärchen. Wer im Fußball mit Feindbildern arbeitet, der hat im Sport nichts verloren.

Österreichs Fußball erlebt also doch noch Tage, die Anlass zur Freude geben. Was den Nachwuchs betrifft, so darf sich der Verband damit rühmen, zu den Besten in Europa zu gehören, bei der Europameisterschaft der Unter-19-Auswahlen hat Rot-Weiß-Rot immerhin demonstriert, eine kleine Turniermannschaft zu sein. Zur Belohnung darf sich die Mannschaft von Teamchef Andreas Heraf nun im Semifinale am Montag mit den Deutschen messen, vor allem für die ÖFB-Legionäre, denen im Land des Weltmeisters die weitere Ausbildung zuteil wird, eine ganz spezielle Erfahrung. Die Österreicher wollen ins Finale, entscheidend aber ist nicht das Auftreten gegen Deutschland, wirklich wichtig sind die Jahre, die den Talenten nun unmittelbar bevorstehen. Sie werden jedenfalls von der Erfahrung dieser EM profitieren, und es tut ihrer Entwicklung gut, kein internationaler Prügelknabe zu sein, sondern breitere Schultern zu bekommen. Wie viele Youngsters vielleicht schon in den kommenden zwei Jahren so weit sind, um bei einem Lehrgang von Marcel Koller vorstellig zu werden, das wird sich erst weisen; denjenigen, die die ÖFB-Nachwuchsarbeit immer nur krankjammern, gehen allerdings bald die Argumente aus. Es besteht jedoch auch noch lange kein Grund, voreilig von einer goldenen Generation zu sprechen. Aber zumindest kann das alles noch zu einem Glücksfall im heimischen Fußball werden.

Als einer der größten Glücksfälle muss wohl das Engagement von Red Bull in Salzburg bezeichnet werden. Mit vollen Hosen ist natürlich leicht einkaufen, mit der stark wachsenden Zweigstelle in Leipzig entwickelt sich ein kleines Imperium, das wiederum von Kritikern sehr skeptisch betrachtet wird. Auch, weil Spieler verpflichtet, verliehen oder geparkt werden – welcher Verein jetzt eigentlich wen tatsächlich unter Vertrag hat, das ist mittlerweile schwer zu durchschauen. Entscheidend aber ist in erster Linie auch in diesem Fall, wer von den professionellen Rahmenbedingungen profitieren kann. Und das kann auf dem direkten Weg oder über den Umweg Liefering oder Leipzig auch der ÖFB sein. Ein Verein, der seine Transferpolitik so radikal umstellt, dass er sein Interesse fast ausschließlich auf jüngere Semester lenkt, der verdient Respekt.

Mit Feindbildern zu arbeiten, das ist gefährlich. Es hat im Sport nichts verloren und muss angeprangert werden. Das wurde uns erst diese Woche drastisch vor Augen geführt: Die hässliche Fratze hat der Fußball dieser Tage aber auch bei einem Freundschaftsspiel der beiden U21-Auswahlen von Manchester City und Rijeka in Novigrad gezeigt. Die Engländer sind abgetreten, nachdem ein Spieler rassistisch beleidigt worden sein soll. Die Kroaten sehen das anders: „Wir waren ihnen zu stark...“ Unglaublich.

wolfgang.wiederstein@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2014)

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