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Die Damen-Fußballweltmeisterschaft 2015 in Kanada sorgt für heftige Diskussionen, Spitzenspielerinnen lehnen den Kunstrasen ab. „Diskriminierend und illegal!“ Fifa-Boss Blatter stellt sich taub.

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Diepresse.com/Sport

Noch nie hat eine Damen-Fußballweltmeisterschaft so hohe Wellen geschlagen. Die Titelkämpfe werden 2015 in Kanada ausgetragen – und zwar auf Kunstrasen. Zahlreiche Nationalspielerinnen protestieren gegen diesen Plan, Weltfußballerin Nadine Angerer (über 130 Länderspiele für Deutschland, zweifache Weltmeisterin, an fünf EM-Triumphen beteiligt) und 61 weitere Spielerinnen sind sogar vor Gericht gegangen. In der Klageschrift bezeichneten die Spielerinnen das „zweitklassige“ Geläuf als „diskriminierend und illegal“ für Weltklasse-Athletinnen. Außerdem sei die Wahl der Spieloberfläche sexistisch, verletze Menschenrechte und fördere die Gefahr von Blessuren. Tatsächlich ist eine Herren-WM auf Kunstrasen bislang nicht ansatzweise in der Diskussion. Auch in Russland (2018) und in Katar (2022) wird auf Naturrasen gespielt. Die Frauen sehen sich daher benachteiligt.

Aber das ist noch nicht alles. Die Anwälte der Spielerinnen werfen dem Weltverband Fifa und nationalen Verbänden vor, Druck auf die Spielerinnen ausgeübt zu haben. Den Spielerinnen sei mit Konsequenzen gedroht worden, falls sie ihre Klage nicht zurückziehen. In einem Brief der Anwälte an das zuständige Gericht für Menschenrechte in Ontario heißt es: „Der kanadische Fußballverband CSA und die Fifa – vertreten durch nationale Verbände – haben mit Repressalien gegen die Vereinigung der besten Fußballerinnen der Welt für ihr Vorgehen gegen die Diskriminierung gedroht.“ Konkret soll es um die mexikanische Nationalspielerin Teresa Noyola sowie die französischen Internationalen Camille Abily und Elise Bussaglia gehen.

Noyola sollte angeblich keine Einladungen für die Nationalmannschaft mehr erhalten. Abily und Bussaglia wurde laut den Anwälten dargelegt, dass ihre Beteiligung an der Klage der französischen Bewerbung um die Ausrichtung der WM-Endrunde 2019 schaden könne. Alle drei haben tatsächlich ihre Klage mittlerweile zurückgezogen. Zudem soll Diana Saenz, Katherine Alvarado und einer dritten Spielerin gesagt worden sein, dass ihre Plätze in der Nationalmannschaft Costa Ricas aufgrund ihrer Klage in Gefahr seien.

Fifa-Präsident Joseph S. Blatter stellt sich jedenfalls taub. Es gehe nicht um Männer- oder Frauenfußball, „sondern um die Umsetzung von hoch professionellen Bedingungen für eine Weltmeisterschaft, und wir garantieren, dass die Frauen-WM der Männer-WM in puncto Qualität in nichts nachstehen wird“. Der Schweizer kann sich sogar vorstellen, dass schon bald auch die Männer bei einer WM auf dem künstlichen Untergrund spielen. „Vielleicht schon morgen. Kunstrasen ist die Zukunft des Fußballs.“ Da irrt er – wieder einmal – gewaltig.

wolfgang.wiederstein@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.11.2014)

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