Für Sportler sollte es das höchste Gut sein, das Dress des Nationalteams zu tragen

Absagen sind im Fußball unmöglich, im Tennis neuerdings jedoch Usus. Im Eishockey verzichtet der Teamchef sogar auf zwei Stars.

Einberufung für das Nationalteam, davon träumt jeder Sportler. Nicht nur im Fußball sorgen Länderspiele für Begeisterung, wecken Emotionen oder Patriotismus – in jeder Sportart ist ein Nationalteam das Flaggschiff. Absagen gelten als verpönt, sind eigentlich undenkbar. Und deshalb ist der Fall des Tennistalents Dominik Thiem so irritierend, ja empörend.

Lehnt ein Fußballer die Einberufung ab, muss er trotzdem anreisen und sich vom ÖFB-Arzt untersuchen lassen; bei Missachtung droht eine Sperre. Allerdings käme keiner auf die Idee, Marcel Koller aufgrund von Lustlosigkeit, Geldfragen oder Reise- und Ligastrapazen abzusagen. Marc Janko fliegt für Länderspiele sogar um die halbe Welt.

Im Tennis ist das anders, Dominic Thiem droht abermals dem Daviscup-Captain. Der Niederösterreicher, 21, ist ein großes Talent, doch sein Auftritt mutet kurios an. Er scheint in diesem Punkt zudem auch schlecht beraten. Thiem wähnt sich mit dem ÖTV-Tennisverband im Clinch: Es geht um die Höhe zuerst abgelehnter (!), später angenommener, aber vom Verband nach dem Gewinn hoher Preisgelder wieder eingestellter Fördergelder. In Zahlen: 46.000 Euro waren jährlich für einen Zeitraum von drei Jahren fixiert, Thiem hatte zum Zeitpunkt der Kündigung 430.000 Euro an Preisgeldern verdient. Der ÖTV nützte dafür eine im Vertrag festgeschriebene Klausel. Warum also der Protest und all die Aufregung?

Muss ein erfolgreicher, mit Sponsoren beglückter Profi (im Nachhinein für seinen Werdegang) gefördert werden? So irritierend dieses Szenario auch ist, der Groll des Thiem-Umfeldes gegenüber unfähigen, parteibuchfreundlichen bis ideenlosen Funktionären ist nachvollziehbar. Rechtfertigen diese Fehlbesetzungen jedoch Absagen? Wo liegt die Grenze zwischen Patriotismus und Egoismus? Der Schwimmer Dinko Jukić wurde etwa für seinen Verzicht auf WM- oder Olympia-Staffel medial zerrissen. Manch Tennisspieler war nicht fit, trat trotzdem an und wurde für Niederlagen „abgewatscht“.

Im Nationalteam geht es, anders als bei Klubs, um den Erfolg des Landes. Es ist erstaunlich, genau das hat Eishockey-Teamchef Dan Ratushny schneller erkannt als all seine Vorgänger. Dem Kanadier sind Namen, Verdienste, Befinden und Freunderlwirtschaft egal. Wer die Vorbereitung nicht mitmachen konnte bzw. wollte, hat in seiner Auswahl für die WM in Prag nichts verloren. Ratushny teilte sogar den NHL-Stars Thomas Vanek und Michael Grabner mit, dass er auf sie – selbst nach dem Aus in den Playoffs – verzichtet. Ob es die finale Abrechnung nach der Disco-Affäre von Sotschi war, steht auf einem anderen Blatt Papier.

Wer eine Einberufung für das Nationalteam erhält, hat gefälligst anzutanzen und – diskussionslos – sein Bestes zu geben.

markku.datler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2015)

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