Champions-League-Finale in Berlin

Luis Suárez hat Giorgio Chiellini bei der Fußball-WM 2014 gebissen. Nun treffen sich die beiden beim Champions-League-Finale in Berlin erstmals wieder. In diesem Augenblick offenbaren sich Vergebung und wahre Größe.

Dieses Champions-League-Finale verspricht ein ganz brisantes, ein höchst spannendes Spiel zu werden. Juventus Turin gegen Barcelona, die hohe Kunst des etwas alternden Calcio rund um Andrea Pirlo, 35, angetrieben durch Power von Chiles Arturo Vidal und Frankreichs Paul Pogba, gegen den in Europa längst lieb gewonnenen Kick mit Lionel Messi, Neymar und Luis Suárez. Es gibt nicht mehr das von Pep Guardiola als Heiligtum gepriesene, für Gegner wie auch auf die Dauer für den Zuschauer unfassbare, fade, weil körpereinsatz-befreite Tiki-Taka, dieses hübsch anmutende Kurzpassspiel. Auch Barcelona läuft nun härter, schneller. Es wird gestoßen, mitunter gefoult. Man spielt Fußball.

Messi ist zweifelsohne ein Künstler, ein Ausnahmekönner. Doch in diesem Finale am 6.Juni wird er nicht die Hauptrolle spielen. Im Berliner Olympiastadion wird Juventus alles daran setzen, den Argentinier aus dem Spiel zu nehmen, mit allen Tricks und Finessen dieser Disziplin. Auch Neymar wird nicht der Protagonist dieser Partie sein, egal wie viele Tore er schießen wird.

Im Blickpunkt stehen zwei andere Spieler. Erinnern Sie sich, Fußball-WM in Brasilien 2014, Uruguay gegen Italien, ein Spiel in Natal? Das Ergebnis, die Urus siegten mit 1:0 und schickten die Squadra Azzurra nach Hause, ist nur noch für Historiker von Relevanz. Die wahre Geschichte war der Biss von Luis Suárez, der Stürmer rammte seine Zähne in die Schulter des Italieners Giorgio Chiellini; es geschah in Minute 79. Unvergessen blieb, wie der Täter anschließend sorgsam sein Gebiss auf Schaden prüfte und das Opfer fassungslos zum Referee lief.

Chiellini ist Rückhalt der Juve-Abwehr, und zum ersten Mal seit damals werden beide in dieser Partie aufeinandertreffen. Dann wird sich zeigen, welche Dimension Fairness und Vergebung tatsächlich erreichen oder was plakativ posaunte Worte wirklich wert sind. Was passiert, sollten sich beide in einem Zweikampf wieder zu nah kommen, dem Südamerikaner erneut ein Aussetzer unterlaufen, wie er selbst bei Kleinkindern verpönt ist? Vielleicht beißt Chiellini zurück oder verlangt einen Maulkorb...

All das wird nicht passieren, Suárez ist Profi, der seine (dritte) Chance nützt. Er erlebt in Barcelona ein neues Hoch, er ist neben Messi und Neymar ein geachteter Spieler. Mit seinen Toren und seinem Auftreten hat er bewiesen, dass Vergebung keine Ausnahme sein darf. Jeder macht Fehler, vor Dummheiten sind selbst die intelligentesten Menschen nicht gefeit. Suárez ist diesbezüglich also ein Vorbild. Der noch größere Held ist aber Giorgio Chiellini, wenn er seinem Gegner gegenübersteht und ihm trotz allen Zorns und der erlittenen Erniedrigung besonnen die Hand reicht. Große Taten setzen oft nur ganz kleine Reize voraus.

markku.datler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2015)

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