Wiener Sport, ein Widerspruch

Nur einmal im Jahr ist ganz Wien tatsächlich auf den Beinen – beim Vienna City Marathon wird Sport praktiziert und auch gelebt.
Nur einmal im Jahr ist ganz Wien tatsächlich auf den Beinen – beim Vienna City Marathon wird Sport praktiziert und auch gelebt.(c) REUTERS (� Leonhard Foeger / Reuters)
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Sportstadt Wien: Eine Mär ohne moderne Hallen, 50-Meter-Becken oder politisches Konzept. Denn Bewegung ist eine Privatinitiative.

Wien schmückt sich mit dem Titel einer Sportstadt. Für Werbezwecke ist das freilich ideal: Man lobt einfach gefärbte Rad- und Gehwege aus. Für den Breitensport gibt es unbestritten Möglichkeiten sonder Zahl: Sportplätze, sofern sie nicht versperrt sind. Freiplatz-Anlagen in Parks, wenn sie nicht verschmutzt sind. Skatebord-Bahnen, Wildwasserkanal, Beachvolleyball etc. – wer sich bewegen will, findet Platz und Raum. Aber das geschieht zumeist aus eigenem Willen und nicht, weil es die Stadt ermöglicht.

Christian Oxonitsch ist seit März 2009 als SPÖ-Stadtrat für Sport zuständig. Bewegungsangebote für Kindergarten und Schulen wurden ausgelobt, so richtig an die Brust heften aber kann sich diesen frommen Wunsch niemand. Selbst das Unterfangen der „Täglichen Turnstunde“, immerhin nach jahrelangem Forcieren von politisch gut vernetzten Sportgrößen wie Peter Kleinmann im Nationalrat abgesegnet, obliegt der Schulautonomie.

Vereine und Schulen verbinden, Trainer integrieren im Turnunterricht, Talente sichten und fördern: Es klingt so leicht und blieb dennoch für viele ein gebrochenes Versprechen. Sportschulen wie die Maroltingergasse funktionieren, weil es Lehrer und Direktor mit Vereinen – erneut – in Eigeninitiative oder mit Kooperationen forcieren. Auch Campus-Modelle leben es vor.

Zu viele verpasste Chancen. Das Verlangen, sich zu bewegen und Kinder dazu zu motivieren, es muss in den eigenen vier Wänden beginnen, in Kindergärten und Schulen aber intensiviert statt blockiert werden. Die Politik ist dazu da, Strukturen zu schaffen, Möglichkeiten aufzuzeigen, in Wien blieben es bislang reine Scheingefechte. Geht es um Sportstätten, sind vorrangig Machtkämpfe zwischen Askö (SPÖ) und Asvö oder Union (ÖVP) oder Alleingänge von SP-nahen Klubchefs (Rapid, Austria etc.) in Erinnerung geblieben.

Chancen wie die Fußball-Euro 2008 wurden vergeben, anstatt Neubauten zu errichten, wurde das Happel-Stadion, simpel formuliert, „neu angemalt“. Ein Champions-League-Finale, zuletzt 1995 (Ajax – Milan, 1:0) bleibt so eine Illusion, Wien erfüllt die Uefa-Auflagen nicht mehr. Zumindest auf Betreiben der Rapid-Fußballer und mittels Sponsorgelder entsteht ein neues Aushängeschild im Westen Wiens. Ein Europa-League-Endspiel ist ab 2016 möglich. Austria-Fans dürfen sich nach Jahrzehnten des Kopfschüttelns ab 2017 bei Stadtplanern und Verkehrsbetrieben bedanken. Dann soll die U1 am Verteilerkreis Station machen.

In der Metropole bleibt es beim Verschieben und Zusammenpferchen in längst nicht mehr zeitgemäßen, unzureichenden Rundhallen wie dem „sicherheitshalber“ denkmalgeschützten Dusika-Oval. Bahnradfahrer, Turner (unter anderem in Schönbrunn ausquartiert für einen Parkplatz), Gewichtheber oder zuletzt auch Asylwerber drängten sich im Innenraum. Erst ein bitterböses Schreiben des Turnverbandes – samt an Medien übermittelter Fotos – bewirkte im Rathaus und bei Minister Gerald Klug ein schnelles Umdenken.

Vergleiche und Utopien. Oft sind Wiener Politiker um Vergleiche mit Weltstädten wie Paris, London oder Rom bemüht, fabulieren von Olympia und anderen Events (Ruder-WM 2019 nicht an der Alten Donau, sondern in Linz). Sie übersehen dabei plump, dass Elementares fehlt. Dass Wien über keine moderne Mehrzweckhalle verfügt, ist ein weiteres Versäumnis der Stadtregierung. Grete Laska hätte 2008 nach dem Bestreben des Eishockey-begeisterten Geschäftsmannes Hans Schmid leichtes Spiel gehabt, doch der Abriss des Dusika-Denkmals blieb verwehrt. Anstatt einer Multifunktionsarena, für die es ein fixfertiges Konzept und Pläne gab, wurde in Kagran wenigstens ein profundes Eishockey-Zentrum gebaut.

Ein 50-Meter-Becken ist in Wien nicht zu finden, Spitzenschwimmer wandern – nicht nur der fragwürdigen Finanzgebarung im OSV-Verband wegen – ab. Zumindest soll Mitte Oktober der ominösen Traglufthalle im Stadionbad neuer Betrieb gewidmet werden. Bei Leichtathleten ist es ähnlich, ein Blick genügt: Kennen Sie den Cricketer-Platz vis-à-vis vom Happel-Stadion? Dort wurde ein Leichtathletik-Stadion gebaut. Hübsch, einladend – aber für Meisterschaften untauglich. Es hat nicht genug Laufbahnen . . .

Implodierendes Stückwerk. Wiens Sport mutet wie neulackiertes, aber sukzessive implodierendes Stückwerk an. Ob Hohe Warte oder Dornbach – es gibt Sportplätze, die in Vergessenheit geraten oder wie der Eislaufverein umstrittenen Projekten weichen sollen. Was passiert mit der Trabrennbahn in der Krieau? Der Galopp in der Freudenau ist schon Geschichte. Dass echte Sportstätten auch als Sightseeing-Treffpunkte gelten, à la Wembley oder San-Siro, ist allen bei der Wahl antretenden Parteien nicht einmal eine Randnotiz wert. Sport und Wien, das ist ein Widerspruch. Wozu haben SPÖ, ÖVP, Grüne und FPÖ eigene Sportsprecher?

Politiker haben eines gemein: Gibt es Erfolg, sind Schulterklopf-Lächel-Fotos im VIP-Klub heiß umkämpft. Wiens Sport ist Werkzeug der Politik, großteils von SPÖ-nahen Personen und Institutionen betrieben. Immerhin, ansonst wäre er womöglich längst vollkommen bedeutungslos geworden für die Wiener Couch-Gesellschaft.

Wiens LETZTE Meister

Fußball
2013 Austria

Handball
2011 Margareten

Volleyball
2008 Hotvolleys

Basketball
2013 BC Vienna

Eishockey
2005 Vienna Capitals

American Football
2014 Vienna Vikings

Hockey
2015 HC Wien und SV Arminen

Bewegt sich Österreich?

47 Prozent der Österreicher üben laut einer Umfrage der APA/Wr. Städtischen vom Juli 2015 mindestens ein- bis zweimal pro Woche Sport aus. Spitzenreiter ist Oberösterreich (59 Prozent), Wien liegt mit 43 Prozent knapp vor Schlusslicht Niederösterreich (40).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2015)

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