Geheuchelt, gejagt – darauf gepfiffen

Die russische Weitspringerin Darja Klischina.
Die russische Weitspringerin Darja Klischina.(c) APA/AFP/ALEXANDER KISILEV
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Die Leichtathletik ist ein so wunderbarer Sport, sie hat aber weiterhin ein gewaltiges Problem im Dopingdiskurs.

Die Leichtathletikbewerbe dieser Sommerspiele übertreffen in Rios Olympiastadion alle Erwartungen. Wer den Sturz und den Sieg des Briten Mo Farah über 10.000 Meter gesehen hat, weiß auch, was es tatsächlich bedeutet, wenn jemand den Begriff der Aufgabe nicht kennt. Der Amerikaner Jeff Henderson gewann den Weitsprung im letzten Versuch mit einem Zentimeter Vorsprung, der Deutsche Christoph Harting wurde Diskus-Champion – ebenfalls im letzten Versuch. Auch der 100-Meter-Sieg der Jamaikanerin Elaine Thompson (10,71 Sekunden) imponierte. Und dennoch, hinter den Kulissen und der großen Show rund um Usain Bolt rumort es gewaltig in der Welt der Leichtathletik. Das Thema: Doping. Natürlich.

Julia Stepanowa, die Kronzeugin der Welt-Antidoping-Agentur (Wada), musste ihre Wohnung in Amerika verlassen und an einen sicheren Ort gebracht werden. Ihre E-Mail-Konten wurden gehackt – und die Behörden wollten kein Risiko eingehen. Der ARD-Reporter, der im Antidopingkampf keinen Stein umgedreht lassen will, läuft neuerdings mit Leibwächter herum, berichtet „Bild“, und schenkt man Insidern Glauben, gleicht das Caesar Park Hotel in Ipanema – dort residiert der Leichtathletikweltverband – einem Hochsicherheitstrakt. Nachdem der russischen Weitspringerin Darja Klischina das erteilte Sonderstartrecht zwischenzeitlich wieder entzogen wurde, herrscht auch bei den Funktionären eine gewisse Unruhe.

Von Klischina sollen in Russland Urinproben gefunden worden sein, deren Inhalt zwei verschiedene DNA-Spuren zeigen, berichtet ARD. Stimmt das, ist es kein erbaulicher Fund und stellt den Experten des Weltverbands ein verheerendes Zeugnis aus. Man hat 67 Russen für Rio gesperrt, aber sich just für die Weitspringerin starkgemacht. Sie lief postwendend zum Sportgerichtshof CAS, der in Rio eine Filiale mit Schnellrichtern eingerichtet hat – und: darf starten. Die ganze Causa ist eine Farce und der Umgang mit diesem Thema ein vollkommen harmloses Hin- und Hersperren. Es fehlen die nötige Konsequenz der Entscheidungsträger, die nötige Kompetenz der Ermittler. Damit nimmt man dem Antidopingkampf, dem Streben nach Schutz tatsächlich sauberer Sportler, jegliche Ernsthaftigkeit.

Damit haben Funktionäre mitverschuldet, dass Russen, Chinesen oder US-Sprinter Justin Gatlin ausgepfiffen, vorverurteilt oder für verbüßte Strafen noch einmal geschmäht werden. Klischinas beste Antwort schien eine Medaille: sie bekommt sie ihren persönlichen Triumph, die Leichtathletik das Mahnmal und die Dopingjäger einen fetten Denkzettel aus Edelmetall.

E-Mails an: markku.datler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2016)

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