Start der Ski-WM

Mit dem Start der Ski-WM erwartet Österreich Siege und Medaillen. Doch allein Marcel Hirscher gilt als Fixkandidat für das WM-Podest, dieser Umstand zeigt sein Können – und dokumentiert die Schwäche des ÖSV.

Österreich liebt zwei Sportarten ganz besonders: Skifahren und Fußball. In keiner anderen Sparte, ohne jemandem jetzt wirklich zu nahe treten zu wollen, gehen Siege oder Misserfolge schneller und tiefer unter die Haut. In keiner anderen Disziplin polarisieren Trainer oder wortgewaltige Präsidenten mehr.

Gewinnt Marcel Hirscher, geht es Österreich gut. Verliert er, scheidet aus oder hat einfach nur einen schlechten Tag – es wäre ja menschlich –, wird die Aussicht auf Medaillen prompt trüber, die Freude verblasst, manch kecke Prognose verhallt. Es gibt Max Franz, Matthias Mayer, Hannes Reichelt – bei den Damen ist nach Anna Veith, so sie der Belastung stand hält, allerdings weit und breit kein sicherer Tipp für einen Podestplatz mehr zu finden.

Freilich, es ist Folge einer höchst auffälligen Verletzungsserie. Doch insgesamt stellt diese Bestandsaufnahme dem ÖSV kein gutes Zeugnis aus. Wo sind die Nachwuchstalente, welcher Fehler steckt im ÖSV-System, stockt die Schmiede in Stams? Folgt man Aussagen von Peter Schröcksnadel, könnte man getrost glauben, dass Österreichs Skisport dem Untergang geweiht ist. Es klang in Wahrheit alarmierend, und dabei ging es ihm, ausnahmsweise, gar nicht um den Sommersport: „Die Schulen bringen nicht mehr das, was sie einmal gebracht haben.“ Und: „Wie kann man andere dazu bringen, dass sie ähnlich wie Marcel arbeiten? Wenn sie sich mehr mit Ski- und Schuhtests befassen würden, könnten sie unsere Möglichkeiten besser nützen.“

Hirscher arbeitet mit seinem Team, dem Vater, fern des ÖSV-Orbits. Veith tat es ebenso – und beide hatten Erfolg. Es ist skurril, dahinter gibt es in diesem Betrieb keinen fixen Siegfahrer mehr. Wer trägt aber daran die Schuld? Gibt es intern wirklich keine fixen bzw. sogar verpflichtenden Materialtests durch Athleten, beging entweder der Präsident einen Kardinalfehler oder die von Toni Giger geleitete, kolportiert hochpreisige Entwicklungsabteilung ist ihr Geld nicht wert?

Wer Materialtests für nicht notwendig hält, hat jedes Rennen schon vor dem Start verloren. Dann geht es Athleten zu gut in ihrer Komfortzone, sind fixe Förderungen längst wichtiger als Siege. Steckt der Fehler nur im System, sind Hierarchie, Methode und Personal überholt. Der Verband wäre schnell neu aufgestellt – allerdings mit neuen Ideengebern bzw. Querdenkern. Wurzelt das Problem jedoch in Schulen, sind Ausbildung, Zugang, Kultur und familiäre Einstellung nur schwer zu korrigieren.

Wurden Warnsignale missachtet, weil Ausnahmekönner stets die Gesamtproblematik überstrahlten? Offenbar. Es wurde in Kauf genommen, weil es bequemer war und man bekommt dafür, wenn Hirscher nicht gewinnt, jetzt die Rechnung präsentiert.

markku.datler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2017)

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