Jürgen Melzer: "Habe nie mit Geld herumgeschmissen"

Jürgen Melzer
Jürgen MelzerDie Presse (Clemens Fabry)
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Tennisprofi Jürgen Melzer erzählt der "Presse", warum er auf Sponsoren angewiesen ist, sein Geld nicht zum Fenster hinauswirft und am Ende seiner Karriere zehn Millionen Dollar verdient haben möchte.

Die Presse: Herr Melzer, wenn Sie während eines Spiels sehenden Auges auf eine Niederlage zusteuern, hat Sie das Preisgeld je dazu motiviert, noch einmal alles zu geben?

Jürgen Melzer: Ich kann ganz sicher sagen, dass ich während eines Tennismatches noch nie an Geld gedacht habe – egal wo ich gespielt habe und wie das Spiel ausgegangen ist. Wenn man ein Match verliert, ist man einfach enttäuscht. Das hat nichts damit zu tun, wie viel Geld man verliert, sondern damit, als Verlierer vom Platz zu gehen. Man lügt wahrscheinlich, wenn man sagt, Geld sei einem nicht wichtig. Aber wenn es die primäre Motivation ist, kann man es nicht nach oben schaffen.

Auch am Anfang Ihrer Karriere war Geld nie ein Thema?

Natürlich träumt man davon, als Nummer eins super viel Geld zu verdienen. Aber als Kind kann man so etwas ja nicht einschätzen. Früher war für mich eine Million Schilling einfach nur Wow. Später realisiert man, dass man mit so einem Betrag vielleicht nicht ausgesorgt hat. Aber Geld war nie eine Motivation, um anzufangen. Es ging mir um den Sport und darum, ihn gerne zu machen und der Beste zu sein.

Sind denn heute 70.000 Euro nichts Besonderes mehr für Sie?

Es wäre schlimm, wenn es so wäre. Es gibt nicht viele Wochen, in denen ich 70.000 Euro verdiene. Deshalb ist es schon immer noch Wow. Aber ich glaube, dass sich das über die Jahre relativiert.

Sie gehören in der Branche zu den Gutverdienern. Verliert man den Bezug zu Geld, wenn man gewisse Summen auf seinem Konto hat?

Ich nicht. Wir hatten nicht so viel Geld, als ich als Sportler hinaufgekommen bin. Es hat mir an nichts gefehlt, aber es gab schon Situationen in meinem Leben, wo es schön gewesen wäre, mehr zu haben.

Zum Beispiel?

Ich kann mich erinnern, als ich bei der Jugend-WM in Miami war: Meine Freunde sind einkaufen gegangen und haben einfach die Kreditkarte ihres Vaters durchgezogen. Ich hingegen musste zu Hause anrufen und fragen, ob ich mir eine Diesel-Jean kaufen kann. Ich habe mich deswegen nicht schlechter gefühlt und es hat mir später geholfen, mit Geld umzugehen.

Ist eine Tenniskarriere denn teuer?

Ja, sehr teuer. Meine Eltern mussten sich schon das eine oder andere absparen, um mich auf Turniere zu schicken.

Und mussten Sie damals Nebenjobs annehmen?

Nein, wenn es so weit kommt, hat man als Tennisspieler ein Problem. Du musst hundert Prozent für den Sport zur Verfügung stehen, sonst wird nichts aus der Karriere.

Wann haben Sie begonnen, vom Sport ohne finanzielle Unterstützung Ihrer Eltern zu leben?

Ich war bereits mit 17 Jahren im Davis-Cup-Team. Wenn man oft gesetzt ist, so wie ich, bekommt man schon ganz gut bezahlt. Ich war dann zum ersten Mal mit 21 Jahren unter den besten 100 Tennisspielern der Welt. Mit 19, 20 bin ich auf eigenen Beinen gestanden.

Wenn man in jungen Jahren mehr als seine Altersgenossen verdient, muss man dann aufpassen, nicht überheblich zu werden?

Ich glaube, dass die Gefahr nicht bestanden hat, weil ich anders erzogen wurde. Ich habe nie mit Geld herumgeschmissen. Wenn meine Freunde und ich weggegangen sind, dann habe ich immer wieder einmal etwas bezahlt, aber nie so, dass es schlecht rübergekommen wäre.

Aber geizig sind Sie nicht?

Nein. Ich lade meine Freunde schon ein.

Was machen Sie mit Ihrem Geld, wenn Sie es nicht beim Fenster hinauswerfen?

Ich habe ein paar Wohnungen. Ansonsten liegt ein großer Teil auf dem Sparbuch.

Und das wars?

Also ich leiste mir einen schönen Urlaub. Aber wenn man ein Jahr lang so viel gearbeitet hat, darf man das auch. Aber ich fahre keinen Ferrari oder so.

Sie sind zurzeit auf Platz 33 der Weltrangliste. Ab wann verdient man gut?

Ich würde sagen, man fängt in den Top 40 an, richtig gut zu verdienen. Nach Steuern bleiben einem dann wohl um die 300.000 Euro übrig.

Gibt es den Druck für Sie, einen gewissen Weltranglistenplatz zu erreichen, um die Ausgaben wieder hereinzuspielen?

Am Anfang war das sicher so. Jetzt versuche ich, die Kosten so gering wie möglich zu halten. Aber ich stehe nicht im Spiel und denke mir, wenn ich verliere, kann ich mir meinen Trainer nicht mehr leisten.

Aber müssen Sie sich Ihr Geld einteilen?

Ja schon. Im Mannschaftssport bekommt man ja Geld, egal ob man verletzt ist oder nicht. Wenn man als Tennisspieler verletzt ist, bekommt man nichts. Außer man hat Sponsoreneinnahmen. Vor allem als junger Spieler geht man da ein Risiko ein. Ich kenne genügend Spieler, die bei Platz 150 der Rangliste stehen und sagen, dass sie nicht an einem Spiel teilnehmen können, weil ihnen der Flug zu teuer ist. Der 150st-beste Tennisspieler der Welt zu sein, ist schon etwas. Aber geht man nach der Bezahlung, ist es das nicht.

Wie wichtig sind denn die Sponsoren für Sie?

Extrem wichtig. Die Einnahmen sind teils auch erfolgsabhängig, aber man hat sein fixes Einkommen.

Das heißt, ohne Sponsoren geht es nicht?

Ja, weil entweder man hat verdammt reiche Eltern oder man kennt jemanden, der einen unterstützt, oder man ist so gut, dass die richtigen Firmen auf einen aufmerksam werden.

Und wie war das bei Ihnen?

Ich hatte ein bisschen was von allem.

Bei einer Tenniskarriere muss man auch an die Zeit danach denken und Geld zur Seite legen. Ist das ein Thema für Sie?

Ja natürlich. Es wird keinen Job mehr geben, bei dem man wöchentlich solche Summen verdient. Für diese Zeit muss man gerüstet sein. Ich werde mich nach meiner Karriere sicher nicht hinsetzen und nichts mehr tun. Da wird mir fad. Aber es hilft sicher, wenn man genügend auf der Seite hat, damit man sich nicht dauernd fragen muss, wann der nächste Job kommt.

Wie viel wollen Sie bis zu Ihrem Karriereende verdient haben?

Mit 22 hatte ich einmal das Ziel, am Karriereende eine Million Euro auf dem Konto zu haben. Das habe ich geschafft. Also wenn ich das Geld jetzt nicht blöd ausgebe, dann geht es sich aus. Aber wenn ich jetzt noch so viel Preisgeld verdiene, dass ich zum Karriereende zehn Millionen Dollar eingespielt habe, wäre es natürlich schön.

Wann ist das Ablaufdatum eines Tennisspielers gekommen?

Der Körper ist das Ablaufdatum. Oder die Motivation. Eines von beiden. Bei mir verabschiedet sich der Körper wahrscheinlich vor der Motivation.

Was ist Ihr Plan B für die Zeit nach Ihrer Karriere?

Das ist schwierig. Ich werde auf alle Fälle im Sport bleiben, weil ich mich da am besten auskenne. Es wäre schade, das Wissen, das ich mir angeeignet habe, nicht zu meinen Gunsten zu verwenden.

Zur Person

Jürgen Melzer (* 1981) ist ein österreichischer Tennisprofi, der bislang 8,5 Mio. Dollar an Preisgeldern einsammeln konnte. Schon früh machte Melzer auf sich aufmerksam, 1999 gewann er dann das Juniorenturnier von Wimbledon. 2010 schaffte es Melzer ins Halbfinale der French Open, 2011 gelang ihm der Sprung auf Rang acht der Weltrangliste. Zurzeit ist er auf Rang 33 gelistet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2013)

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