Tennis: Balanceakt zwischen Tradition und Moderne

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Chris Kermode, Chef der Spielervereinigung ATP, sprach in Kitzbühel über Märkte, Geld und skizzierte die Alleinstellungsmerkmale der Turniere. Von Dominic Thiem schwärmt der Brite: „Er kann ein Star werden, braucht aber noch Zeit.“

Chris Kermode betrat den Pressekonferenz-Saal in Kitzbühel mit einem breiten Lächeln. Auch der stundenlange Regen am Mittwoch konnte seine Laune nicht trüben, Kermode ist als Brite schlechtes Wetter ohnehin gewöhnt. Ihm gefallen die Stadt und das Turnier, das heuer sein 70-jähriges Bestehen feiert. Kitzbühel sei „stunning“, wie Kermode sagt, also atemberaubend. Man hofft, dass der 49-Jährige sich nicht nur reiner Höflichkeitsfloskeln bedient, denn seit Jahresbeginn ist er der mächtigste Mann der Spielervereinigung ATP. Als Vorsitzender und Präsident hat sein Wort Gewicht, seine dreijährige Amtsperiode sieht viel Arbeit vor.

Europa gerät unter Druck

Im laufenden Jahr war der Londoner nur zwei Wochen in seiner Heimat. Er ist sonst ständig auf Reisen, um sich ein Bild von der globalen Profitour zu machen. Derzeit veranstaltet die ATP 61 Turniere in 30 Ländern, die „World Tour“ ist längst ein Milliardengeschäft, das sich ständig mit neuen Herausforderungen konfrontiert sieht.
In der jüngeren Vergangenheit hat speziell der asiatische Markt an Bedeutung gewonnen, auch Südamerika befindet sich im Aufschwung. Neue Märkte bieten neue Chancen – und die Aussicht auf noch mehr Geld.

Kitzbühel passt da eigentlich so gar nicht in dieses monetäre Bild, allerdings wurde der Vertrag mit Lizenzinhaber Octagon heuer für weitere zehn Jahre verlängert. Kermode kennt die Problematik von Altbewährtem und Moderne, es sei ein Balanceakt zwischen „schnellem Geld und Tradition“.

Kitzbühel habe Letzteres zur Genüge, der Charme des Turniers sei in gewisser Hinsicht einzigartig unter den 61 Turnieren. Für Kermode ist die richtige Mischung entscheidend. „Wir haben Turniere am Strand, in der Wüste, in Großstädten – und in den Bergen.“
Freiluftturniere genießen diesbezüglich einen gewissen Vorteil, in der Halle würden sie schneller einem Event ähneln. Dass Kitzbühel aufgrund des „suboptimalen“ Termins eine Woche vor dem Hartplatz-Masters in Kanada und des Status 250 praktisch keine Chance auf die Verpflichtung von Superstars hat, sieht Kermode nicht zwingend als Last. „Jedes Turnier will Roger Federer und Rafael Nadal haben, aber nicht jedes Turnier kann sie bekommen. Deswegen sollte man Events nicht nur an diesen großen Namen aufhängen. Es geht einfach darum, dass fantastische Spieler aus aller Welt hier sind. Diesen Gedanken gilt es zu verbreiten.“

Noch wichtiger als jeder internationale Topstar sei ohnehin ein Lokalmatador. Einer, der es versteht, das Publikum zu begeistern. Österreich scheint im 20-jährigen Dominic Thiem einen solchen gefunden zu haben. „Er kann definitiv einer der zukünftigen Stars dieses Sports sein, zählt zu den fünf größten Talenten. Aber bitte – gebt ihm etwas Zeit.“
Nach langem Warten wurde Mittwochnachmittag doch noch Tennis gespielt. Andreas Haider-Maurer unterlag im Achtelfinale dem an Position drei gesetzten Tschechen Lukas Rosol mit 3:6, 6:7 (4). Im zweiten Satz hatte der Niederösterreicher beim Stand von 5:4 bereits auf den Satzgewinn serviert. „Das hätte ich nicht mehr aus der Hand geben dürfen“, haderte der Weltranglisten-113.

AUF EINEN BLICK

Chris Kermode ist seit Jahresbeginn Vorsitzender und Präsident der Spielervereinigung ATP. Während seiner dreijährigen Amtsperiode ist es mitunter die Aufgabe des Briten, eine Bestandsaufnahme der „World Tour“ zu machen und zu entscheiden, wie viele Turniere der jeweiligen Kategorien ab 2018 im Kalender aufscheinen sollen.

Asien und Südamerika erlebten zuletzt einen Aufschwung, traditionelle Turniere in Europa, darunter auch das Sandplatzturnier in Kitzbühel, haben eher einen schweren Stand. Kermode versichert dennoch, weiterhin auf „die richtige Mischung“ an Turnieren aus aller Welt setzen zu wollen.

Ergebnisse

Kitzbühel, 1. Runde: Schwartzman (ARG) – Zverev (GER) 6:1, 6:0. Andujar (ESP) – Melzer (AUT) 6:3, 6:4.
Achtelfinale: Rosol (CZE-3) – Haider-Maurer (AUT) 6:3, 7:6 (4).

Doppel, 1. Runde: Kontinen/Nieminen (FIN) – Knowle/Marach (AUT-2) 6:2, 0:6, 10:4.

Washington, 2. Runde: Anderson (RSA-7) – Donskoi (RUS) 6:3, 6:4, Karlovic (CRO-9) – Paire (FRA) 7:6, 6:7, 7:6, Jaziri (TUN) – Stepanek (CZE-11) 2:6, 7:6, 6:1, Smyczek (USA) – Chardy (FRA-12) 7:6, 3:6, 6:4, Hewitt (AUS-14) – Matosevic (AUS) 6:4, 6:3, Istomin (UZB-15) – Tomic (AUS) 6:4, 7:6.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2014)

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