Tennis: Federers fehlendes Puzzleteilchen

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Roger Federer könnte beim Daviscupfinale in Frankreich seiner außergewöhnlichen Karriere einen noch immer fehlenden Titel hinzufügen. Die Schweiz gilt als leichter Favorit.

Lille. Für viele ist Roger Federer schlicht der beste Tennisspieler aller Zeiten. Der Schweizer führte 302 Wochen die Weltrangliste an, gewann 17 Grand-Slam-Turniere und insgesamt 82 Titel, allein fünf in diesem Jahr. 2008 streifte er in Peking an der Seite von Stan Wawrinka olympisches Gold ein. Und doch fehlt in Federers Karriere ein Puzzleteil, das sein Lebenswerk in gewisser Weise vollenden würde. Bis Sonntag kämpft der 33-Jährige für sich und die Schweiz in Lille gegen Frankreich um den erstmaligen Gewinn des Daviscups.

Federers Beziehung zum prestigeträchtigen Mannschaftswettbewerb darf als kompliziert bezeichnet werden. „Der Daviscup und ich, das war einmal eine Liebesgeschichte“, sagt der Basler, auf seine Anfänge im rot-weißen Anzug angesprochen. Als 17-Jähriger gab Federer im April 1999 gegen Italien sein Debüt. „Ich dachte, ich würde ihm viele Ratschläge erteilen müssen“, erinnert sich Claudio Mezzadri, damals Schweizer Captain.
„Roger war jung, unausgeglichen und konnte sich schnell aufregen. Und er hatte noch nie über drei Gewinnsätze gespielt.“ Federer, die Nummer 123 der Rangliste, schlug den 75 Plätze vor ihm klassierten Davide Sanguinetti schließlich in vier Sätzen. „Er wusste immer, was er zu tun hatte“, betont Mezzadri. Der Beginn einer Liebesgeschichte, die nicht von ewiger Dauer war.

Karriere vs. Daviscup

Federer schlüpfte trotz seines jungen Alters bald in die Rolle des Teamleaders. Sechs Jahre verpasste er keine Daviscup-Begegnung, wenngleich den Eidgenossen für den ganz großen Coup stets ein zweiter Topspieler fehlte. Doch dies war nicht ausschlaggebend dafür, seine Prioritäten zu ändern. Mit den Jahren hatte Federer die Freude am Beisammensein verloren. „Irgendwann wurden diese Wochen für mich zum Schlimmsten“, erzählte er im Frühjahr am Rand des Turniers von Indian Wells. „Immer wieder gab es Probleme – mit dem internationalen Verband, mit den Captains, mit den Coaches, mit den Spielern, mit der ganzen Intensität. Und früher auch mit Swiss Tennis.“ Der nationale Verband habe lange Zeit keine klare Linie verfolgt. „Es wurden einige Kapitäne zu viel verheizt.“

Als Federer 2004 erstmals die Spitze der Weltrangliste erklomm, wurden eigene Ansprüche und Strapazen gleichermaßen größer. Er forcierte fortan seine persönliche Karriere, setzte Meilensteine bei Grand-Slam-Turnieren. Der Daviscup schien in seinem Kalender nur noch sporadisch auf oder, wie in den Jahren 2010 und 2013, gar nicht. Die Schweizer Fangemeinde reagiert darauf seither gespalten. Die einen zeigen Verständnis, andere fühlen sich von ihrem Nationalhelden im Stich gelassen. Die Rolle Federers nahm ab 2004 Stan Wawrinka ein. Bis zu seinem Triumph bei den diesjährigen Australian Open im Schatten des großen Maestros, stand „Stan the Man“ in Länderkämpfen stets seinen Mann. Er absolvierte 22 Begegnungen, während es Federer im Vergleichszeitraum auf deren 14 brachte. 2014 sagte Federer vor dem Duell in Serbien (3:2) spontan sein Antreten zu. Auch im Viertelfinale (3:2 gegen Kasachstan) und Halbfinale (3:2 gegen Italien) leistete er seinen Beitrag. Mit jedem Erfolg stieg die Lust Federers, noch nie zuvor war er dem Daviscupsieg dermaßen nahegekommen.

Mehr als Teamkollegen

Mit Federer (ATP 2) und Wawrinka (ATP 4) verfügt die Schweiz im heute beginnenden Endspiel (13.40 Uhr, live in SRF 2) über zwei Major-Champions. Ein Luxus, den zuletzt die USA vor neun Jahren (Andre Agassi, Andy Roddick) genossen. Das Schweizer Aufgebot komplettieren Marco Chiudinelli (ATP 212) und Michael Lammer (ATP 508). Mit seinem Teamkollegen verbindet Federer eine enge Freundschaft. Chiudinellli und Lammer, die vorerst für das Doppel nominiert wurden, sind Jugendfreunde, mit denen er einst sogar eine Wohnung geteilt hat.

Das Wir-Gefühl ist ausgeprägter denn je. „Wir haben eine super Mannschaft. Das inspiriert mich am meisten zu spielen“, betont der Routinier, der nach seinen Rückenproblemen Mittwochabend erstmals nach drei Tagen Pause wieder auf dem Platz stand und für heute einsatzbereit scheint. Federer macht kein Hehl daraus, den Daviscuptitel unbedingt seiner außergewöhnlichen Sammlung hinzufügen zu wollen. „Aber ich möchte diesen Triumph fast mehr für Stan, das Team und die Fans.“

Daviscupfinale Spielplan

Ab 14 Uhr: Tsonga – Wawrinka, Monfils – Federer.
Samstag, 15.30 Uhr: Benneteau/Gasquet – Chiudinelli/Lammer.

So, 13 Uhr: Tsonga – Federer, Monfils – Wawrinka.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2014)

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