Die Verwundbarkeit des einst so Unverwundbaren

TENNIS - ATP, French Open 2015
TENNIS - ATP, French Open 2015GEPA pictures
  • Drucken

Rafael Nadal spricht sich in der Krise selbst Mut zu und bekommt ausgerechnet von seinem Dauerrivalen, Roger Federer, Zuspruch. Dem zehnten French-Open-Titel des Spaniers dürfte allen voran Novak Djoković im Weg stehen.

Die Zweifel sind groß, die Selbstsicherheit ist verflogen. Rafael Nadal, bei den French Open neunmal erfolgreich, gilt bei der diesjährigen Auflage nicht als Topfavorit auf den Titel. Die meisten Experten und Buchmacher sehen Saisondominator Novak Djoković im Vorteil. Der Spanier befindet sich in einer Krise, wenngleich auf relativ hohem Niveau. Nadal blieb 2015 in der unmittelbaren Vorbereitung auf Roland Garros ohne Sandplatztitel. Es hagelte Enttäuschungen in Monte Carlo (gegen Djoković), Barcelona (Fognini), Madrid (Murray) und Rom (Wawrinka). Niederlagen gegen vier verschiedene Akteure auf seinem geliebten Untergrund zeugen von der Verwundbarkeit des einst Unverwundbaren.

Nadals Position auf dem Platz ist zu passiv, die Schläge ohne die nötige Härte, sein Spiel vorhersehbarer als in der Vergangenheit. Den 14-fachen Grand-Slam-Champion, als Tüftler bekannt, beschäftigt seine Situation. Sie wurde zur Belastung, und das ausgerechnet vor den French Open. Die Zahl jener, die ihm in Paris den zehnten Coup zutrauen, nimmt stetig ab. Doch Nadal und Roland Garros pflegen eine besondere Beziehung. Hier, am Bois de Boulogne, feierte er seine größten Erfolge, fühlt er sich wohl wie sonst nur in seiner geliebten Heimat, Mallorca.

Erst ein einziges Mal verließ Nadal Paris als Verlierer. 2009 überraschte ihn der Schwede Robin Söderling im Achtelfinale, in der Folge profitierte Roger Federer und gewann das Turnier. Ausgerechnet Söderling machte Nadal dieser Tage Mut, als er sagte: „Es ist eine Sache, Rafa auf Sand zu bezwingen, aber eine andere, ihn über fünf Sätze zu bezwingen. Er ist fast unschlagbar.“

Paris, Nadals Wohnzimmer. Auch Nadal selbst gab sich zuletzt optimistischer. „Ich weiß, dass ich in Paris gut spielen kann. Der Center Court ist dort größer, der Ball springt höher ab, was mir zugutekommt. Ich bin sicher, dass ich, wenn ich gut spiele, eine Chance habe, das Turnier zu gewinnen.“ Eine mögliche Niederlage bereite ihm kein Kopfzerbrechen, im Gegenteil. „Wenn ich in Paris nicht gewinne? Nun, ich werde das überleben, das Leben geht weiter. Ich werde ohnehin nicht 15 French-Open-Titel hintereinander gewinnen. Das Verlieren gehört zum Spiel dazu.“ Neben Söderling zählt auch Roger Federer zu jenen, die Nadal auf der Titelrechnung ganz oben führen. „Für mich ist Rafa immer noch der Favorit. Man kann die vergangenen zehn Jahre nicht einfach weglassen. Es wird Best of Five gespielt. Wir wissen, wie stark Rafa ist, psychisch und physisch“, betonte Federer. Größter Widersacher Nadals und für viele erster Titelanwärter ist Novak Djoković. Der Serbe kann auf eine imposante 35:2-Bilanz in diesem Jahr verweisen, seit 23Spielen ist er ungeschlagen. „Dass ich so viele Matches in Folge gewonnen habe, gibt mir den Glauben, dass ich noch mehr gewinnen kann“, erklärte der 28-Jährige nach seinem Finalsieg in Rom über Federer. Djoković und Nadal könnten bereits im Viertelfinale aufeinandertreffen.

Der Weltranglistenführende sehnt seinen ersten French-Open-Titel herbei, dieser würde seinen Karriere-Grand-Slam komplettieren. Zuvor gelang nur Fred Perry, Don Budge, Rod Laver, Roy Emerson, André Agassi, Federer und Nadal das Kunststück, alle vier Majors zu gewinnen. „Ich möchte so lang wie möglich weitersiegen. Ich möchte an nichts denken, was diese Serie beenden kann. Diese Denkweise hat mir geholfen, dorthinzukommen, wo ich jetzt bin“, bekräftigte Djoković, der ob seiner Form zum Siegen verdammt scheint. Federer: „Wenn man die Resultate in diesem Jahr anschaut, ist Novak nun an dem Punkt, an dem er eigentlich gewinnen muss.“

Keine Favoritin. Als weitaus offener gestaltet sich die Konkurrenzsituation bei den Damen. Viele mögliche Siegernamen geistern durch die Gazetten, Topfavoritin hat sich keine herauskristallisiert. Maria Scharapowa darf sich jedoch definitiv Hoffnungen auf eine Titelverteidigung machen, sie bewies mit dem Turniersieg in Rom rechtzeitig aufsteigende Form. Vorjahresfinalistin Simona Halep spekuliert ebenso mit ihrem ersten Grand-Slam-Titel wie die Spanierin Carla Suárez Navarro. Für Serena Williams, die in Italiens Hauptstadt wegen einer Ellbogenblessur aufgeben musste, wäre ein Triumph in Paris gleichbedeutend mit Major-Erfolg Nummer 20.

Aus österreichischer Sicht rückt speziell Dominic Thiem in den Fokus. Der 21-Jährige trifft in der ersten Runde auf den Briten Aljaž Bedene. Frühestens am Montag sind Andreas Haider-Maurer (gegen Diego Schwartzman) und Jürgen Melzer (gegen Adrian Mannarino) im Einsatz.

Zahlen

9French-Open-Titel
kann Rafael Nadal bislang sein Eigen nennen. Der Spanier, 28, ist damit alleiniger Rekordhalter.

28Millionen Euro
beträgt das Preisgeld der diesjährigen French Open. Damit wird an die Akteure im Vergleich zum Vorjahr um drei Millionen Euro mehr ausgeschüttet.

An das Rekordpreisgeld bei den US Open 2014 reichen die French Open nicht heran. In New York lag die Dotierung bei 36,2 Millionen Euro.

35Matches
hat Novak Djoković in dieser Saison bereits gewonnen, so viele wie kein anderer. Niederlagen musste er nur deren zwei (gegen Karlovic und Federer) hinnehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.