Dominic Thiem: "Ich verspüre keinen Druck"

TENNIS - ATP, Suisse Open 2015
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Österreichs Tennisaushängeschild Dominic Thiem spricht vor dem Heimturnier in Kitzbühel über schlummerndes Potenzial, haltlose Kritik und die hohe Erwartungshaltung.

Kitzbühel 2014 glich einer Initialzündung für Dominic Thiem. Schon lange Zeit als größtes Versprechen des heimischen Tennissports gehandelt, erreichte der damals 20-Jährige in der Gamsstadt sein erstes Finale auf der ATP-Tour. Die Euphorie rund um den Jungstar erinnerte an glorreiche Muster-Zeiten vergangener Tage, Thiem wurde vom Kitzbüheler Publikum trotz seiner Niederlage gegen den Belgier David Goffin wie ein Sieger gefeiert.

2015 wäre ein erneuter Finaleinzug des Niederösterreichers bei den am Montag beginnenden Generali Open keine Überraschung mehr. Thiem hat sich auf der Tour etabliert, ist als aktuelle Nummer 24 der Rangliste in der erweiterten Weltspitze angekommen. Den verpassten Turniersieg von Kitzbühel im Vorjahr holte er heuer bereits in doppelter Ausführung nach. Im Mai triumphierte der Schützling von Günter Bresnik in Nizza, vor einer Woche stemmte er den Siegerpokal in Umag.

Im Schweizer Gstaad greift Thiem heute nach einem 6:3-6:7-6:3-Erfolg gegen den Spanier Feliciano López nach dem dritten Saisontitel, den zweiten innerhalb von nur acht Tagen. Sein Finalgegner: David Goffin. Es ist die große Chance zur Kitzbühel-Revanche.

Ihr aktueller Höhenflug samt Turniersieg in Umag kam nach den eher enttäuschenden Vorstellungen beim Daviscup in Kitzbühel überraschend. Auch für Sie?

Dominic Thiem: Doch, ja. Ich bin nicht mit der Erwartung nach Umag gereist, dort das Finale zu erreichen. Aber ich habe die Woche vor dem Daviscup eigentlich gut trainiert, auch am Sonntag gegen Robin Haase nicht schlecht gespielt. Ich brauche eben immer ein paar Matches, bis ich meinen Rhythmus gefunden habe. Beim Daviscup war auch das Glück nicht unbedingt auf meiner Seite, in Umag schon.

Ihr Finalsieg glich einer spielerischen Machtdemonstration. Wo ordnen Sie die gezeigte Leistung ein?

Das war eines der besten Matches, die ich je gespielt habe. Ich habe gut serviert, mich gut bewegt, extrem wenige Eigenfehler gemacht. Schon bei meinem ersten Turniersieg in Nizza vor zwei Monaten habe ich gut gespielt, aber in Umag ging mir alles noch leichter von der Hand. Auch, weil ich eben schon ein Turnier gewonnen hatte.

Warum fällt es Ihnen oftmals zum Auftakt eines Turniers – oder Daviscups – schwer, Ihre Bestleistung abzurufen?

Ganz ehrlich – ich habe keine wirkliche Erklärung dafür. Dieses Problem verfolgt mich fast bei jedem Turnier, mein bestes Tennis spiele ich meistens erst ab dem Viertel- oder Semifinale. Wenn ich die ersten ein, zwei Matches gut spiele und gewinne, dann werde ich so richtig gefährlich. Das weiß ich.

Sie haben auch im Bereich der Verwertung von Breakchancen in vielen Matches großes Verbesserungspotenzial.

Ich bin mir dieser Problematik vollauf bewusst. Ich verhalte mich bei Breakbällen etwas anders, manchmal zu defensiv. Ich muss lernen, bei Breakbällen genauso zu spielen wie bei jedem anderen Spielstand auch.

Wo setzen Sie in den nächsten Wochen und Monaten den Hebel im Training an?

Es ist von enormer Wichtigkeit, dass mein Spiel noch konstanter wird. Ich muss die Anzahl der Eigenfehler immer weiter minimieren, das Verhältnis von Gewinnschlägen und Eigenfehlern soll stets positiv sein.

Das zeichnet die besten Spieler der Welt aus.

Schauen Sie sich Novak Djoković an. Er zeigt vor, wie es geht, spielt in einem sehr hohen Tempo fast fehlerfrei. Das muss auch mein Ziel sein.

Sie haben in Ihrer Jugend für den Traum vom um die Welt reisenden Tennisprofi viele Entbehrungen auf sich genommen. Sehen Sie Erfolge als eine Art Refundierung?

Auf jeden Fall. Ich spiele fast jede Woche ein Turnier, meistens verliere ich ein Match. Das Gefühl, ein Turnier zu gewinnen, ist einzigartig. Ich habe in diesen Momenten besondere Zufriedenheit verspürt.

Heute beginnen in Kitzbühel die Generali Open, mit Ihren zuletzt gezeigten Leistungen ist auch die öffentliche Erwartungshaltung gestiegen. Wie gehen Sie mit Druck um?

Ich verspüre keinen Druck, nur Vorfreude. Kitzbühel ist für mich einer der Saisonhöhepunkte; ich liebe es, vor den heimischen Fans und dieser Kulisse zu spielen. Der Daviscup hat mir zwar einen kleinen Kitzbühel-Dämpfer gegeben, aber das ändert nichts an meiner Zuversicht.

Nach dem Daviscup sahen Sie sich Kritik ausgesetzt. Wie gehen Sie damit um?

Ich lese Kommentare und Meinungen von Fans im Internet, verfolge Diskussionen. Negative Kritik aber nehme ich mir nicht zu Herzen. Ich weiß, dass ich im Daviscup alles gegeben habe, ich wollte unbedingt gewinnen. Spielerisch kann ich mir extrem viel vorwerfen, aber kämpferisch? Nein, ich habe 100 Prozent gegeben.

Sie haben in der laufenden Saison bereits rund 600.000Dollar an Preisgeld eingespielt, insgesamt sind es über 1,5 Millionen Dollar. Was gönnen Sie sich?

Ich bin niemand, der viel Geld ausgibt, bin eher auf der sicheren Seite zu Hause. Alles, was ich brauche, habe ich.

Kitzbühel im Thiem-Fieber

Dominic Thiem wird in Kitzbühel erstmals als Nummer eins der Setzliste ein Turnier bestreiten. Nach einem Freilos trifft er im Achtelfinale am Mittwoch auf Andreas Haider-Maurer oder den Brasilianer João Souza.
Neben Thiem und Haider-Maurer stehen drei weitere Österreicher dank einer Wildcard fix im Hauptbewerb. Jürgen Melzer trifft auf Daniel Gimeno-Traver (ESP), Gerald Melzer misst sich mit einem Qualifikanten. Dennis Novak bekommt es mit dem Briten Aljaž Bedene zu tun.

Steckbrief

Dominic Thiem wurde am 3. September 1993 in Wiener Neustadt geboren.

Thiem zählte bereits als Jugendlicher zu den Besten, 2011 erreichte er das Juniorenfinale der French Open und war die Nummer zwei der Weltrangliste.

Auf der ATP-Tour hält der Niederösterreicher bei zwei Turniersiegen in Nizza und Umag, beide 2015 errungen.

Die ATP führt Thiem derzeit auf Rang 24 – bisher seine beste Platzierung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2015)

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