Wettbetrug: Auch Djokovic wurde ein Angebot gemacht

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Novak Djokovic wurde einst Geld für eine Spielmanipulation geboten. Der aktuelle Skandal soll 16 Profis aus den Top 50 umfassen.

Die Australian Open hatten noch gar nicht begonnen, da lag am Montag schon ein dunkler Schatten über der Tennis-Welt. Knapp eine Stunde vor dem Auftakt in Melbourne sorgten BBC und BuzzFeed mit Enthüllungen über einen vermeintlichen Wettskandal für Aufregung. Nach Informationen dieser Medien sollen 16 Profis aus den Top 50 in den vergangenen zehn Jahren in Spielabsprachen verwickelt gewesen sein.

Auch der Weltranglistenerste Novak Djokovic erhielt einst derartige Angebote. Zu Beginn seiner Karriere 2007 wurde ihm in St. Petersburg ein Angebot zur Manipulation einer Partie über rund 140.000 Euro gemacht, bestätigte der Serbe. "Wir sind natürlich nicht auf das Angebot eingestiegen", betonte Djokovic im Interview mit der englischen Zeitung "The Telegraph". Er selbst habe damals über sein Team davon erfahren und keinen direkten Kontakt mit den Hintermännern gehabt. "Für mich ist das ein Akt von Unsportlichkeit, ein Verbrechen im Sport", sagte Djokovic. "Ich denke, für so etwas ist kein Platz im Sport, vor allem nicht im Tennis."

Die neuen Anschuldigungen bezeichnete Djokovic als Spekulationen. "Es gibt keine richtige Bestätigung oder einen Beweis dafür, dass ein aktiver Spieler verwickelt ist." Die Spekulationen und Gerüchte seien seines Wissens nichts Neues: "In den letzten sechs, sieben Jahren habe ich nichts Vergleichbares mehr gehört."

Auch Grand Slam soll betroffen sein

Laut den Berichten soll es sich bei den aktuellen Fällen ein Sieg eines Grand-Slam-Turniers befinden, und auch beim Klassiker in Wimbledon sollen mindestens drei Partien manipuliert worden sein. Die Informationen basieren auf geheimen Dokumenten, allerdings werden darin keine Namen genannt. Acht der beschuldigten Profis sollen auch nun bei den Australian Open am Start sein, was die Spielerorganisationen in den Fokus rückt.

BBC und BuzzFeed werfen den Verantwortlichen vor, Informationen bewusst verschleiert zu haben. "Die Sportorganisationen sind immer wieder vor einer Gruppe von 16 Spielern, alle von ihnen unter den Top 50, gewarnt worden, aber keiner von ihnen wurde bestraft", heißt es im US-Internet-Medium Buzzfeed.

ATP-Chef: "Weisen Vorwurf zurück"

Versinkt nach den Fußball-Verbänden FIFA, UEFA und DFB sowie dem Leichtathletik-Weltverband IAAF nun auch das Welttennis in einem Skandalsumpf? Die Bosse dementierten die Anschuldigungen umgehend. "Wir weisen jeden Vorwurf, dass Beweise über Wettmanipulationen verdrängt wurden, absolut zurück", sagte ATP-Chef Chris Kermode auf einer nach den Enthüllungen eiligst einberufenen Pressekonferenz. Es gelte eine absolute "Null-Toleranz-Politik", versicherte Kermode. Zudem gehe es in den Veröffentlichungen überwiegend um Fälle, die bereits zehn Jahre zurückliegen.

In der Tat steht auch in den neuen Enthüllungen eine Partie zwischen Nikolaj Dawydenko und Martin Vassallo Arguello aus Argentinien bei einem Turnier im polnischen Sopot aus dem Jahr 2007 im Zentrum, die schon damals hohe Wellen geschlagen hatte. Die Ermittlungen dazu wurden jedoch ergebnislos eingestellt. Der Russe hatte verletzt aufgegeben, auf seine Niederlage waren bei Wettanbietern ungewöhnlich hohe Beiträge gesetzt worden. Vor allem in Russland und Italien sollen sich Wettbanden gebildet haben.

Tennis-Wetten sind im Internet sehr beliebt. Vom ersten Aufschlag, über den ersten Doppelfehler bis hin zur Frage, wer welchen Satz und am Ende das Spiel verliert, kann online auf fast alles gewettet werden. Gerüchte, dass gerade bei unterklassigen Turnieren nicht immer alles mit rechten Dingen zugeht, gibt es daher schon länger.

Der Fall Köllerer

Ein Lied davon singen kann Österreichs ehemalige Nummer 55 der Welt, Daniel Köllerer. Im Mai 2011 war der Oberösterreicher wegen angeblicher Spielmanipulationen sogar lebenslang gesperrt worden und mit einer 100.000-Dollar-Strafe versehen worden. Der Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne bestätigte später zwar die Sperre, hob aber die Geldstrafe auf.

Auch der aktuelle Kitzbühel-Sieger, der Deutsche Philipp Kohlschreiber, war bereits solchen Vorwürfen ausgesetzt und tauchte auf einer sogenannten Beobachtungsliste der ATP auf, auf der verdächtige Partien verzeichnet waren. Damals wie heute wies Kohlschreiber alle Anschuldigungen zurück. "Ich will damit auf keinen Fall in Verbindung gebracht werden", sagte die deutsche Nummer eins am Montag nach seiner Erstrunden-Niederlage gegen den Japaner Kei Nishikori.

Die Herren-Organisation ATP hatte 2008 mit der Damen-Vereinigung WTA, dem Weltverband ITU und den vier Grand-Slam-Turnieren eine Integritäts-Einheit eingerichtet. Seit 2010 habe die Tennis Integrity Unit (TIU) 18 Verfahren erfolgreich abgeschlossen, fünf Spieler und ein Offizieller seien lebenslang gesperrt worden, erklärten die Verantwortlichen. Ob die TIU auch Spieler in Melbourne beobachte, wollte deren Chef Nigel Willerton nicht sagen. "Es wäre nicht angemessen, wenn ich einen Kommentar dazu abgeben würde, ob aktuelle Spieler unter Beobachtung stehen", sagte Willerton.

Größeres Risiko bei kleineren Turnieren

Besonders bei kleineren Turnieren ist die Versuchung, in einem Mann-gegen-Mann-Sport zu manipulieren, größer. Durch die Möglichkeiten des Internets ist das Wettgeschäft in den vergangenen Jahren jedenfalls förmlich explodiert. Der weltweite Wert jährlich soll sich laut dem unabhängigen Wett-Experten Patrick Jay auf enorme drei Billionen US-Dollar belaufen, berichtete dieser 2015 der UNO. Tennis liegt im Wettmarkt gleich hinter Fußball auf Platz zwei.

Ein Tennis-Gambler verriet der Agentur Reuters unter der Bedingung seiner Anonymität, dass man relativ einfach enorme Erträge erzielen könne. Nicht zuletzt wegen der Möglichkeiten Punkt-für-Punkt bzw. Game-für-Game wetten zu können. "Sagen wir, du willst ein Game abgeben, aber das Match gewinnen, was würde dir das machen? Du kannst nur ein paar tausend Dollar gewinnen", sagte der Informant. Zwar gibt es bei besonders auffälligen Wettumsätzen eine Meldepflicht an die TIU durch die Wettanbieter, dennoch dürfte es gerade im Tennis besonders einfach sein, zu zusätzlichem, unehrenhaften Geld zu kommen.

(APA/dpa)

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