Andy Murray: Der Titeltraum als Nebensache

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Allen emotionalen Belastungen zum Trotz erreichte Andy Murray das Halbfinale. Seine Frau wartet hochschwanger zu Hause, sein Schwiegervater ist kollabiert.

Melbourne/Wien. Tennis ist bekanntlich Kopfsache. Umso bemerkenswerter, dass Andy Murray, 28, trotz aller Ablenkungen zum sechsten Mal im Halbfinale der Australian Open steht. In Melbourne ist plötzlich sein Schwiegervater auf der Tribüne kollabiert, dessen Tochter, Murrays Frau, sitzt derweil hochschwanger zu Hause in Großbritannien. „Die vergangenen Tage waren hart, und vielleicht habe ich nicht mein bestes Tennis gespielt“, meinte Murray.

Inzwischen wurde Nigel Sears aus dem Spital entlassen und ist zurück bei Tochter Kim. Murray kann sich also wieder ganz aufs Tennis konzentrieren und hat prompt im Viertelfinale gegen David Ferrer seine beste Partie bei den Australian Open (6:3, 6:7 (5), 6:2, 6:3) gezeigt. „Am Ende habe ich gute Sachen gespielt, mich gut bewegt. Wahrscheinlich mein bestes Match bisher“, erklärte die Nummer zwei der Welt nach dem kräfteraubenden Grundlinienduell mit dem Spanier.

Murrays Gegner im Halbfinale ist praktisch das Gegenteil von Ferrer. Milos Raonic hat seine bisherigen Gegner im wahrsten Sinn des Wortes abserviert. Im Viertelfinale gegen Defensivkünstler Gaël Monfils (6:3, 3:6, 6:3, 6:4) sind dem 1,96-Meter-Mann zehn Asse und 29 Servicewinner gelungen, der Aufschlag ist die größte Waffe des Kanadiers mit montenegrinischen Wurzeln. Und weil sich der Weltranglisten-14. zuletzt beim Service keine Schwächen erlaubt hat, ist er in dieser Saison auch noch ungeschlagen. Raonic hat neun Partien in Folge gewonnen, darunter das Finale in Brisbane gegen Roger Federer.

Der 25-Jährige zeigte heuer sein bestes Tennis, seit er 2014 in Wimbledon erstmals ein Major-Halbfinale erreicht hatte und im Ranking auf Platz vier vorgestoßen war. Damals galt Raonic wie Kei Nishikori und Grigor Dimitrow als aussichtsreicher Kandidat, um die Dominanz von Novak Djokovic, Murray und Federer zu durchbrechen. Doch Nishikori hat 2014 bei den US Open die Sensation verpasst, Dimitrow ist mittlerweile auf Platz 28 im Ranking abgerutscht, und Raonic hat eine Fußoperation zurückgeworfen. Heute sagt er: „Ich fühle, dass ich ein besserer Spieler bin als vor zwei Jahren.“

Tatsächlich präsentierte sich Raonic in Melbourne nicht nur als hervorragender Aufschläger, er hat auch sein Netzspiel verbessert, agiert aggressiver. Mithilfe der ehemaligen Nummer eins Carlos Moyá will er auch von der Grundlinie überzeugen, noch haftet ihm das Image des Aufschlagriesen an.

Im Halbfinale wartet mit Murray nun einer der besten Retournspieler auf der Tour, im direkten Duell der beiden steht es 3:3. Raonic ist der erste Kanadier überhaupt im Semifinale der Australian Open, Murray hat in Melbourne bereits vier Mal das Endspiel erreicht, es aber stets verloren. Schon im Vorfeld hat der werdende Vater angekündigt, er würde dieses Mal sogar auf die Finalteilnahme verzichten – wenn es denn in der britischen Heimat Babyalarm gibt.

AUSTRALIAN OPEN ERGEBNISSE

Herren, Viertelfinale: Murray (GBR/2) – Ferrer (ESP/8) 6:3, 6:7 (5), 6:2, 6:3, Raonic (CAN/13) – Monfils (FRA/23) 6:3, 3:6, 6:3, 6:4.
Halbfinale.
Djokovic– Federer, Raonic – Murray.

Damen, Viertelfinale: Kerber (GER/7) – Asarenka (BLR/14) 6:3, 7:5, Konta (GBR) – Shuai (CHN) 6:4, 6:1.
Halbfinale:
S. Williams – A. Radwanska, Kerber – Konta.

Doppel-Halbfinale: Hlaváčková/Hradecká (CZE/7) – Yifan/Saisai (CHN/15) 3:6, 6:3, 6:1, Hingis/Mirza (SUI/IND/1) – Görges/Plíšková (GER/CZE/13) 6:1,6:0.
Finale:
Hingis/Mirza – Hlaváčková/Hradecká.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2016)

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