Serena Williams spielt gegen Angelique Kerber um den 22. Major-Titel. Die erneute Chance, zu Steffi Graf aufzuschließen, weckt allerdings bittere Erinnerungen.
Melbourne. Ein Sieg trennt Serena Williams noch, um auf Grand-Slam-Ebene mit Legende Steffi Graf gleichzuziehen. Im Finale der Australian Open spielt die US-Amerikanerin am Samstag (9.30 Uhr, live Eurosport) gegen Angelique Kerber (GER) um den rekordträchtigen 22. Major-Titel. Die historische Chance ist für Williams allerdings mehr Belastung, denn Ansporn. „Ich versuche, es auszublenden“, gestand die 34-Jährige. „Letztes Jahr hat mir auch nur ein Sieg gefehlt. Ich war so gestresst, das möchte ich nicht noch einmal durchleben.“
Die Wunde der letzten US Open sitzt bei Williams tief, im September ist sie im Halbfinale völlig überraschend der Italienerin Roberta Vinci unterlegen – die Chance auf Titel Nummer 22 und den Grand Slam war dahin. Schwer enttäuscht verordnete sie Kopf und Körper daraufhin eine Auszeit, um sich nun in absoluter Topform zurückzumelden. Nicht einen einzigen Satz und nur 26 Games gab die Weltranglistenerste auf dem Weg in ihr siebentes Melbourne-Endspiel ab, beim klaren Halbfinalsieg gegen die Polin Agnieszka Radwańska (6:0, 6:4) zeigte sie im ersten Satz ihre bislang beste Leistung im Turnier. „Wenn ich mein bestes Tennis zeige, ist es schwer, mich zu schlagen“, sagte Williams. „Aber ich hätte nicht gedacht, dass ich so schnell wieder so gut spielen würde.“
Im Finale wartet nun überraschend Kerber. Die Nummer sieben der Welt zog mit einem 7:5-6:2-Erfolg über die Britin Johanna Konta im dritten Anlauf erstmals in ein Grand-Slam-Finale ein. „Das ist wirklich ein ganz spezieller Moment für mich“, bekannte die 28-Jährige. In Melbourne spielt sie nun als erste Deutsche seit Anke Huber vor 20 Jahren um den Titel, den letzten Sieg hat 1994 Graf gefeiert. Ihr Jugendidol war es auch, das Kerber vergangenes Jahr aus der Krise half, als sie sich nach dem Erstrundenaus in Australien die Sinnfrage stellte. Gespräche mit Graf und gemeinsames Training in Las Vegas brachten Freude am Sport und Selbstvertrauen zurück. „Sie hat meine Zweifel zerstreut.“
Vor der schier übermächtigen Finalgegnerin hat Kerber keine Angst. „Ich weiß, dass ich gegen sie mein bestes Tennis spielen muss, aber ich habe nichts zu verlieren“, betonte die Deutsche. Die Statistik spricht freilich für Williams, im Head-to-Head führt sie mit 5:1. Die einzige Niederlage liegt bereits vier Jahre zurück, dennoch warnt die Nummer eins der Welt: „Niemand ist unschlagbar.“ (swi)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2016)