Wimbledon: Märchenstunde im All England Club

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Tennis-Nobody Marcus Willis begeistert beim Rasenklassiker. Heute wartet auf den Briten das Highlight seiner wundersamen Reise: ein Duell mit Roger Federer.

London/Wien. Seine 18. Profisaison bestreitet Roger Federer heuer, auch er sagt: „Ich glaube, das ist eine der besten Geschichten seit Langem in unserem Sport.“ Held in diesem Märchen, das sich gerade in Wimbledon abspielt, ist sein heutiger Zweitrundengegner Marcus Willis.

Der 25-jährige Brite ist die Nummer 772 der Weltrangliste, auf der ATP-Tour hat er noch kein Match bestritten. Als 23. der britischen Rangliste ist er mit Glück in das interne Ausscheidungsturnier zur Wimbledon-Qualifikation gerutscht. Dort feierte er drei Siege, dann weitere drei in der Qualifikation und plötzlich stand er im Hauptfeld (128 Mann) des prestigeträchtigsten Turniers der Welt.

Da war die Reise von Willis aber noch nicht zu Ende. In Runde eins besiegte er den Litauer Ricardas Berankis, als Nummer 54 der Welt immerhin 718 Plätze vor ihm platziert. Es war ein glatter Dreisatz-Erfolg, 6:3, 6:3, 6:4, die Zuschauer auf Court 17 waren verblüfft. Willis wehrte 19 von 20 Breakbällen ab, schlug 43 Winner. Er ist nun der am schlechtesten platzierte Qualifikant in der zweiten Runde eines Major-Turniers seit dem US-Amerikaner Jared Palmer (923.) bei den US Open 1988.

Eine erstaunliche Leistung für jemanden, der sich vor Kurzem noch als „Loser“ und „dicker Junge“ bezeichnet hat, der eigentlich für 30 Pfund Tennisstunden gibt, um seine Rechnungen zu bezahlen und schon in die USA auswandern wollte. Dort sollte er einen Job als Trainer übernehmen. Dann lernte Willis aber seine Freundin kennen, sie überredete ihn weiterzumachen. „Ich mache, was mir gesagt wird“, meinte er lachend. 60.000 Euro Preisgeld hat er in Wimbledon bereits verdient, vor dem Erfolgslauf im Rasenmekka hatte der Mann aus Berkshire heuer nur 265 Euro eingespielt.

Heute hat Willis seinen bisher größten Auftritt, ein Duell mit dem 17-fachen Grand-Slam-Champion Roger Federer, gespielt wird auf einem der großen Courts. „Ich werde hinausgehen und versuchen zu gewinnen. Das werde ich wohl nicht. Aber ich werde wie in den vergangenen sieben Matches alles geben.“ Und Federer, hinter dessen Form auch nach dem 7:6, 7:6, 6:3 gegen Guido Pella noch ein Fragezeichen steht („Sogar ich selbst weiß es nicht“), freute sich darauf. „Er hat gezeigt, dass er gut genug spielt, um hier zu sein. Eine großartige Geschichte.“

Für Tamira Paszek ist Wimbledon bereits zu Ende, sie unterlag in Runde eins der Russin Jelena Wesnina 5:7, 2:6. (joe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2016)

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