Andy Murrays ungefährdeter Wimbledon-Triumph unter Regie von Ivan Lendl ist auch eine Kampfansage an die Nummer eins der Welt.
London/Wien. Dieses Mal war es anders. „Ich war glücklicher, es war befriedigender, dieser Titel war für mich selbst und mein Team.“ Drei Jahre nach seinem ersten Triumph hat Andy Murray, 29, wieder den Rasenklassiker in Wimbledon gewonnen. 2013 war es der in seiner Heimat so lang ersehnte Titel eines Briten, 2016 gehörte die Trophäe nun Murray ganz allein. „Damals war es pure Erleichterung, ich habe den Moment nicht genießen können. Jetzt habe ich sichergestellt, dass ich genau das mache“, erklärte die Nummer zwei der Weltrangliste.
In seiner Box aber saß mit Ivan Lendl derselbe Coach wie schon 2013. Die beiden trennten sich ein Jahr später, weil Lendl nicht mehr so viel reisen wollte. Es folgte eine Durststrecke mit „bitteren Niederlagen“, wie Murray erzählt. Novak Djoković schien enteilt zu sein, auch mit Trainerin Amelie Mauresmo lief nicht alles nach Wunsch. Dann aber legte Murray sein bisher fulminantes Jahr 2016 hin (40:6 Siege) und reaktivierte zur Rasensaison Erfolgscoach Lendl. Murrays Rasenbilanz 2016: 12:0 Siege.
Lendls Einfluss
Auch der Kanadier Milos Raonic hatte im Wimbledon-Endspiel wenig Chancen. Murray gewann 6:4, 7:6, 7:6, schlug 39 Winner bei zwölf unerzwungenen Fehlern, gewann 87 Prozent der Punkte beim ersten Aufschlag. Lendls Einfluss machte sich also sofort bemerkbar? Über die Zusammenarbeit ist nicht viel bekannt, Murray sagt, sie sei professionell und sachlich, mehr aber nicht. Gemeinsame Abendessen sind die absolute Ausnahme. Während Murray auf dem Court flucht und jubelt, gibt sich der gebürtige Tscheche gleichmütig. Nach dem Matchball gegen Raonic kam dem Stoiker immerhin ein verkrampftes Lächeln über die Lippen. Aber: Defensivkünstler Murray agiert unter Lendl aggressiver, abzulesen am Tempo seiner Vorhandschläge. Murray sagt: „Ich spiele mein bestes Tennis unter ihm.“
Der Weg zum Titel untermauert diese Aussage: Murray hatte mit Berdych, 30, und Tsonga, 31, nicht nur die alte Garde, sondern mit Kyrgios, 21, auch die nächste Generation im Griff. 10:0 lautet seine Bilanz in Halbfinals und Endspielen von Grand-Slam-Turnieren, wenn der Gegner nicht gerade Djoković, Federer oder Nadal heißt.
Nun hat der Schotte seine Major-Finalbilanz zumindest auf 3:8 verbessert, nachdem er zuletzt dreimal Djoković unterlegen war. Er kam dem Weltranglistenersten heuer aber immer näher. Djoković wirkte nach seinem Karriere-Grand-Slam in Paris außerdem müde. Murray hingegen versprach: „Mein bestes Tennis steht noch bevor.“ Eine Kampfansage.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2016)