Andy Murray: Über Wien an die Spitze

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FILES-TENNIS-ATP-CHN-SHANGHAI-MURRAYAPA/AFP/JOHANNES EISELE
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Andy Murray, Superstar des Stadthallenturniers, könnte Novak Djoković bald in der Weltrangliste überholen. „Wer weiß, ob sich mir noch einmal eine solche Chance bietet.“

Man könnte es Künstlerpech nennen, oder schicksalhaft. Jedenfalls war Andy Murray während seiner Karriere nicht immer vom Glück verfolgt. Der Schotte mit dem Hang zur unterhaltenden Exzentrik galt schon in seinen jungen Profijahren als außergewöhnlich begabt. Er sammelte bald eifrig Titel, nur nicht die ganz großen. Diese waren fast ausnahmslos Roger Federer und Rafael Nadal vorbehalten. Als die Dominanz des schweizerisch-spanischen Duos dann allmählich verloren ging, schickte sich Novak Djoković an, die Rolle des Branchenprimus zu übernehmen.

Das Spiel des Serben, der zwölf Grand-Slam-Trophäen sein Eigen nennt, schien lange Zeit makellos, Niederlagen des Mannes aus Belgrad glichen Sensationen. Als Djoković Anfang Juni erstmals die French Open in Paris gewann, fügte er seinem Karrierepuzzle das letzte noch fehlende Teil hinzu – er hielt nun alle vier Major-Titel gleichzeitig, eine Besonderheit. Mit dieser Errungenschaft schwanden beim Weltranglistenersten Motivation und Ziele, Profiteur dieser Situation war Murray. Nachdem sich der Brite auf eine abermalige Zusammenarbeit mit Trainer Ivan Lendl einigen konnte, drang er in neue Sphären vor. Nach seiner bis dato stärksten Sandplatzsaison inklusive French-Open-Finalteilnahme avancierte er seit dem Sommer zum konstantesten Spieler auf der Tour. Neben seinen Turniersiegen im Londoner Queen's Club, Wimbledon, Peking und Shanghai triumphierte der 29-Jährige auch bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro, wenngleich ihm Gold keine zusätzlichen Weltranglistenpunkte einbrachte.

Murray gewann 30 seiner jüngsten 32 Matches auf der Tour und scheiterte nur bei den US Open (Viertelfinale gegen Nishikori) vor dem Endspiel. All diese Zahlen und Fakten lassen seinen großen Traum, wie Federer, Nadal oder Djoković auch selbst einmal die Nummer eins der Welt zu werden, realistisch wie nie zuvor erscheinen. „Die vergangenen paar Monate haben mir bewiesen, dass ich dorthin (an die Weltranglistenspitze,Anm.)gehen kann. Ich werde alles daran setzen, dieses Ziel zu erreichen“, sagte Murray nach seinem Erfolg in Shanghai und ergänzte: „Wer weiß schon, ob sich mir noch einmal eine solche Chance bietet.“


Jeder Sieg zählt.
Die Arithmetik der Weltrangliste ist per se keine einfach zu verstehende, im konkreten Fall aber doch nachvollziehbar. Gewinnt Murray die Turniere in Wien (ATP 500) und Paris-Bercy (ATP 1000) und erreicht Djoković in Frankreichs Hauptstadt nicht das Endspiel, dann übernimmt er noch vor den abschließenden World Tour Finals in London den Thron.

Für die am Montag mit dem Hauptbewerb beginnenden Erste Bank Open in der Wiener Stadthalle ist Murray neben Lokalmatador Dominic Thiem das große Zugpferd. Die Zusage des Superstars ist ein Segen für das Turnier, macht die schwierige Suche nach Sponsoren etwas einfacher und ist ein Garant für den Verkauf zahlreicher Tickets. Murray gastiert zum zweiten Mal in Wien, 2014 gewann er gegen David Ferrer, diesmal ist der Spanier Titelverteidiger. Turnierdirektor Herwig Straka weiß um die Wichtigkeit von Murrays Antreten, die öffentliche Wahrnehmung ist durch den Aufschlag eines Wimbledon-Champions und Olympia-Siegers eine völlig andere.

Der Schotte – er hat allein mit Preisgeldern über 52 Millionen Dollar verdient – kennt seinen Wert und genießt den Sonderstatus. Nach Österreich kam er mit Frau Kim und der acht Monate alten Tochter Sophia. Straka sagt über seine Nummer eins: „Er hat viele Extrawünsche, ist aber nicht kompliziert.“ Worauf Murray denn besonderen Wert legt? „Dass er fünf bis sechs Hotelzimmer bekommt, das richtige Essen serviert wird – und der Massagetisch passt.“

DATEN

38Turniersiege
hat der Schotte Andy Murray, „Order of the British Empire“, bereits zu Buche stehen. Seine größten Erfolge sind der Gewinn der US Open 2012 und Wimbledon 2013 & 2016 sowie Olympiagold 2012 und 2016 – und der Daviscup-Sieg 2015.

52Millionen Dollar
hat die aktuelle Nummer zwei der Tennisweltrangliste an Karrierepreisgeld verdient.

1.Aufschlag
In der Wiener Stadthalle trifft Murray zum Auftakt auf Martin Klizan (SVK).

Dominic Thiem muss sich am Dienstag mit Gerald Melzer messen, es kommt damit zum Duell von Österreichs Nummer eins gegen die Nummer zwei. Jürgen Melzer bekommt es in Runde eins mit Shanghai-Finalist Roberto Bautista Agut (ESP) zu tun.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2016)

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