Die unstillbare Lust auf ewigen Erfolg

TENNIS - ERSTE BANK OPEN: MELZER (AUT)
TENNIS - ERSTE BANK OPEN: MELZER (AUT)(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Jürgen Melzer, 35, gelang mit dem Sieg über den Weltranglisten-14. Roberto Bautista Agut eine große Überraschung. Er sagt: „Ich glaube, ich habe noch mehr solcher Matches in mir.“

Wien. Offiziell hatte die Wachablöse im österreichischen Tennis bereits vor knapp zweieinhalb Jahren, im Mai 2014, stattgefunden. Nach dem ATP-1000-Turnier in Madrid ist Youngster Dominic Thiem in der Weltrangliste erstmals vor Dauerbrenner Jürgen Melzer aufgeschienen, seitdem haben die Karrieren der beiden Protagonisten völlig konträre Entwicklungen genommen. Thiems Höhenflug gipfelte heuer im Erreichen des French-Open-Halbfinales und der Top Ten, Melzer hingegen blieb das Verletzungspech treu – er fiel nach einer Schulteroperation und insgesamt zehn Monaten Pause bis auf Rang 550 zurück.

Der 23-jährige Thiem ist längst der Liebling der Massen, seine Erfolge haben dem Tennissport hierzulande zu einem spürbaren Aufschwung verholfen. Am Dienstagabend kam das Gros der 7500 Zuschauer also zum „Thiem-Schauen“ in die Wiener Stadthalle, es wurde nicht enttäuscht. Die Vorstellung beim 6:0-6:3-Auftaktsieg gegen Gerald Melzer lässt auf weitere Glanzlichter im Wochenverlauf hoffen. Heute steht dem Bresnik-Schützling der Serbe Viktor Troicki gegenüber.

Eine unerwartete Show

Doch nicht Thiems imposante Leistung war am Dienstagabend unter den 7500 Zuschauern Gesprächsthema Nummer eins, Jürgen Melzer hatte ihm kurzerhand die Show gestohlen. Der 35-Jährige, aktuell die Nummer 417 der Rangliste, begeisterte beim 6:3, 7:5 gegen Roberto Bautista Agut. Der Triumph über den Iberer war in vielerlei Hinsicht sensationell. Bautista Agut, Nummer 14 der Tenniswelt, hat vor zwei Wochen noch Branchenprimus Novak Djoković geschlagen und ist beileibe kein Spanier, der sein Handwerk nur auf Sandplätzen versteht. Melzer überzeugte mit Spielwitz, Kampfgeist und Nervenstärke, nach 1:32 Stunden Spielzeit feierte die Stadthalle den Altmeister frenetisch.

Das 679. ATP-Einzelmatch seiner Karriere sollte also ein denkwürdiges werden, Melzer war die Freude am Spiel und an der Interaktion mit dem euphorisiertem Publikum anzumerken. Die Szenerie erinnerte zwangsläufig an die Jahre 2009 und 2010, als der Routinier in der Stadthalle triumphierte.

Nach dem Auftaktsieg an einen dritten Coup zu denken wäre freilich vermessen, gegenwärtig sind die Voraussetzungen gänzlich andere. Der ÖTV-Rekord-Daviscupper darf nur auf aufgrund einer Wildcard im Hauptbewerb aufschlagen, er ist der mit Abstand am schlechtesten klassierte Spieler im Feld. Ob Melzer, 2011 die Nummer acht, aufgrund seines fortgeschrittenen Alters nochmals den Anschluss zur Weltspitze schaffen kann, darf bezweifelt werden, der Niederösterreicher tut dies auch selbst, sagt aber: „Ich glaube, dass ich noch mehr solcher Matches in mir habe.“

Die Vorstellung, solch magische Momente wie im Spiel gegen Bautista Agut nochmals erleben zu dürfen, seien nach der Schulteroperation und der langen Zwangspause Motivation und Antrieb auf dem Weg zurück gewesen. „Das ganze Comeback habe ich wegen solcher Situationen auf mich genommen.“ Umso süßer hatte sein 348. Tour-Sieg geschmeckt. „Ich schätze solche Erfolge jetzt viel mehr. Je älter man wird, umso mehr Spaß macht es, große Matches zu spielen.“

Die Probleme des Alltags

Wie viele er davon noch spielen wird, hängt von der sportlichen Entwicklung der kommenden Monate und seiner Konstitution ab. Das Rad der Zeit könne er natürlich nicht zurückdrehen, das gibt er unumwunden zu. „Zu trainieren ist das eine, aber am nächsten Tag wieder, das andere.Ich muss viel mehr machen, damit ich in der Früh gerade aufstehe.“

Zumindest ein Auftritt auf der großen Bühne ist Melzer nochmals vergönnt, im heutigen Achtelfinale trifft er am gewiss sehr gut gefüllten Center Court auf den Spanier Albert Ramos Vinolas. Das bislang einzige Duell mit dem Spanier hatte der Österreicher 2013 in Miami in drei Sätzen gewonnen.

Peya orientiert sich neu

Das frühe Aus kam in Wien für Alexander Peya. Der Doppelspezialist unterlag an der Seite von Mate Pavic in Runde eins, mit dem Kroaten wird der 36-Jährige auch in die neue Saison starten. Peya: „Das gefällt mir sehr gut, ich glaube, dass ich mit ihm gut zusammenpassen kann.“

ERSTE BANK OPEN ERGEBNISSE

1. Runde: Ramos Vinolas (ESP) – Fognini (ITA) 6:2, 6:2. Kohlschreiber (GER) – Robert (FRA) 4:6, 6:3, 7:6,
Doppel: Duran/Fyrstenberg (ARG/ARG) – Peya/Pavic (AUT/CRO) 6:3, 3:6, 12:10. d

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2016)

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