Straka: „Von Thiem bin ich etwas enttäuscht“

TENNIS - ATP, Erste Bank Open 2016
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Herwig Straka, Turnierdirektor in der Wiener Stadthalle, übt nach dem enttäuschenden Ausscheiden Kritik an Dominic Thiem. Die Politik verstecke sich „hinter Plattitüden und Floskeln“.

Die Presse: Die Stadthalle verabschiedete schon am Achtelfinaltag mit Dominic Thiem und Jürgen Melzer die beiden letzten Österreicher. Sind Sie enttäuscht?

Herwig Straka: Natürlich ist es enttäuschend, wenn die Spieler nicht abliefern. Wir können nur versuchen, die perfekten Rahmenbedingungen zu schaffen. Was auf dem Platz passiert, lässt sich von uns nicht beeinflussen. Wobei, Jürgen Melzer war wirklich knapp dran, hier sensationell das Viertelfinale zu erreichen, da bin ich weit davon entfernt, ihm einen Vorwurf zu machen. Von Dominic bin ich zum ersten Mal etwas enttäuscht, weil er in den Tagen zuvor eigentlich gut drauf war, auch die erste Runde souverän absolviert hat. Gegen Troicki aber war er auf dem Platz orientierungslos. Ich hätte mir erwartet, dass er das Spiel gewinnt, so wie es auch Murray gegen Simon getan hat. Murray ist immer dran geblieben und hat dadurch letztlich das Match herausgekämpft. So etwas erwartet man sich von einem Top-10-Spieler.

Thiems magere Wien-Bilanz fand ihre Fortsetzung, in den vergangenen drei Jahren konnte er nur ein Match gewinnen. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Es ist auffällig, dass er in der zweiten Saisonhälfte immer wesentlich schlechter spielt als in der ersten. Als Betreuer müsste ich mir irgendwann überlegen, warum das so ist. In den USA hat er, die US Open ausgenommen, meist schlecht gespielt, die Asien-Tournee war sogar grottenschlecht und die darauffolgende Hallensaison in Europa so la la.

Lähmen ihn womöglich die hohen Erwartungen?

Klarerweise hat er Druck, aber wer damit nicht umgehen kann, ist ohnehin fehl am Platz. Und natürlich kann er mit Druck umgehen, sonst wäre er nicht Top 10. Ich sehe nur die fehlende Form.

Was bedeutet sein frühes Scheitern für das Turnier?

Das sehe ich nicht allzu problematisch, weil die Besetzung stark ist und wir dem Publikum in den vergangenen Jahren vermitteln konnten, dass die gebotenen Leistungen hier sehr gut sind. Die Unabhängigkeit von einzelnen Spielern ist von enormer Bedeutung. Nur, weil ein Spieler ausscheidet, darf nicht ein ganzes Turnier kippen.

Würde Andy Murray auch 2017 in Wien aufschlagen, wäre er zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren hier. Kann beim Fan eine Sättigung einsetzen?

Irgendwann setzt sie sicher ein, aber das ist schon Jammern auf sehr hohem Niveau. Unser Ziel ist es, immer neue Gesichter zu präsentieren, aber die Luft da oben ist dünn. In derselben Woche findet in Basel ebenfalls ein ATP-500-Event statt, dort schlagen mit Roger Federer und Stan Wawrinka logischerweise die beiden Lokalmatadore auf. Wenn Ðjoković sich dazu entschließt, 2017 in dieser Turnierwoche zu spielen, sind wir natürlich die Ersten, die an ihm dran sind. Aber: Ich sehe schon einen gewissen Mehrwert, einen Spieler längerfristig an ein Turnier zu binden.

Wären Ðjoković und Murray überhaupt finanzierbar?

Zurzeit wäre das unmöglich, es ist auch Ðjoković allein nicht stemmbar. Da bedarf es schon höherer Sponsorengelder.

Der Vertrag mit Hauptsponsor Erste Bank läuft aus. Muss man sich Sorgen machen?

Nein, die Gespräche laufen, ich bin sehr zuversichtlich. Die Zuschauerzahlen und der Wert der Fernsehrechte gehen seit 2014 signifikant nach oben, das sind positive Kennzahlen. Kritisch anzumerken ist immer noch die Unterstützung der öffentlichen Hand. Wir zahlen mehr, als wir bekommen.

Ein österreichisches Phänomen?

In Budapest oder Prag freut man sich über die Austragung von Tennisturnieren, unterstützt sie massiv. In Prag sind es acht Millionen Euro an Subventionen. Die öffentliche Unterstützung ist dort eine ganz andere. Ich rede ja nicht davon, dass der Geldsack geöffnet werden muss, aber ich will nicht dauernd auf taube Ohren stoßen.

Hat Wien ein Problem mit Sport oder mit Tennis im Speziellen?

Ich kann es schwer orten, aber jeder versteckt sich hinter Plattitüden und Floskeln. Am Ende des Tages muss der Bürgermeister sagen, ob wir dieses Turnier wollen und brauchen. In der Halle habe ich ihn noch nicht gesehen.

AUF EINEN BLICK

Herwig Straka, 50, leitet seit 2009 als Turnierdirektor die Geschicke in der Wiener Stadthalle. [ APA ]
Viertelfinale:
Tsonga (FRA/6) – Ramos-Vinolas (ESP) 6:2, 7:6. Karlović (CRO/8) – Khachanov (RUS) 6:7, 7:6, 6:3.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2016)

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