Der falsche Mann fürs Viertelfinale

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FILES-TENNIS-GER-SRB-DJOKOVIC-BECKER(c) APA/AFP/MIGUEL MEDINA
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Durch die Zusammenarbeit mit Novak Djoković hat Boris Becker seinen Marktwert in der Branche deutlich gesteigert. Nach der Trennung vom Ausnahmekönner stellt der 49-Jährige Bedingungen für mögliche neue Aufgaben.

Berlin. Am Ende ihrer „unglaublichen Reise“ konnte sich Boris Becker Kritik an seinem langjährigen Schützling Novak Djoković nicht verkneifen. „Er hat in den vergangenen sechs Monaten nicht so viel Zeit auf dem Trainingsplatz verbracht, wie er das hätte tun sollen, und das weiß er“, sagte der Deutsche gegenüber Sky Sports.

Drei Jahre fruchtbare Zusammenarbeit liegen hinter Becker, 49, und Djoković, 29. Ihre Ausbeute ist eindrucksvoll: sechs Grand-Slam-Titel, 14 Masters-Siege und zwei Erfolge bei den World Tour Finals. Freilich nannte Djoković auch schon zu Beginn von Beckers Engagement sechs Major-Titel sein Eigen. Das Duo war zu Beginn auch noch belächelt worden. Die Erfolge aber übertrafen alle Erwartungen, der Serbe stand in den vergangenen beiden Jahren fast durchgängig an der Spitze der Weltrangliste. Ausgerechnet der größte gemeinsame Triumph sollte die Zusammenarbeit der beiden nachhaltig beeinträchtigen.

Im Juni gewann Djoković die French Open in Paris, vollendete den Karriere-Grand-Slam und erfüllte sich seinen lebenslangen Traum. Er wollte nun mehr Zeit mit seiner Frau und seinem zweijährigen Sohn verbringen. „Das war es, was er als Mann tun musste. Aber das macht es nicht einfacher für die Trainer“, erklärte Becker. Schließlich sei der Job eines Tennisspielers wohl der „egoistischste im Sport“. Alles müsse sich um einen selbst drehen.

Sportlich ging es in der Folge bergab: Djoković scheiterte bei Olympia in Rio frühzeitig und gewann kein Grand-Slam-Turnier mehr. Vor allem die Niederlage im US-Open-Finale gegen Stan Wawrinka sei ein massiver mentaler Schlag gewesen, erzählte Becker. Am Ende der Saison verlor Djoković schließlich die Nummer eins an seinen Rivalen Andy Murray.

„Die vergangenen sechs Monate waren sehr herausfordernd“, sagte Becker. Auch die Zusammenarbeit von Djoković mit dem spanischen Mentaltrainer Pepe Imaz hat für Verstimmungen gesorgt. Der Serbe setzt offenbar weiterhin auf den als Guru bezeichneten Imaz, obwohl selbst Marian Vajda, seit mehr als zehn Jahren Trainer von Djoković, dessen Methoden äußerst kritisch gegenüberstehen soll. Becker wollte in dieser Konstellation nicht weitermachen, betonte aber, die Trennung sei eine gemeinsame Entscheidung gewesen.

Becker als Damencoach?

Der Deutsche geht aus der sportlichen Liaison mit dem Ausnahmekönner jedenfalls gestärkt hervor. Becker hat nun als Spieler wie als Trainer sechs Major-Titel vorzuweisen und sich damit zweifellos für weitere Jobs empfohlen. Er kann sich auch vorstellen, eine Frau zu trainieren. „Beim Tennis unterscheiden wir nicht nach Geschlecht, sondern nach guten und weniger guten Spielern.“ Ein Topspieler müsste es aber schon sein. „Ziel muss sein: Grand Slams zu gewinnen und Nummer eins zu werden. Wenn jemand mit einem Viertelfinale zufrieden ist, bin ich der falsche Mann.“

Auch Djoković werde sich wieder fokussieren und gestärkt zurückkehren. „Die Niederlagen hat er gebraucht“, ist der Coach überzeugt. Ein Wiedersehen gibt es bei den Australian Open im Jänner. Becker wird in Melbourne als Eurosport-Experte arbeiten. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2016)

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