"Gladiator" gegen "Dominator"

Thiem gegen Nadal
Thiem gegen Nadalimago/ZUMA Press
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Rafael Nadal gegen Dominic Thiem, das Halbfinale der French Open fasziniert. Gewinnt der Spanier als erster Spieler die "Decima" in Paris, oder folgt der Österreicher den Spuren von Thomas Muster?

"Gladiator" gegen "Dominator", "Sand-König" gegen "Sand-Prinz" oder einfach Rafael Nadal gegen Dominic Thiem. Der 23-jährige Niederösterreicher, der sich am Mittwoch nach einer großartigen Leistung zum zweiten Mal in Folge für das Semifinale (Freitag, nicht vor 15.30 Uhr, live in ORF 1, Eurosport) von Roland Garros qualifiziert hat, steht vor seiner bisher schwierigsten Aufgabe: Die Mission des besten Sandplatz-Spielers aller Zeiten zu stoppen.

Und diese lautet: als erster Spieler die "Decima" bei den French Open zu schaffen, also seinen zehnten Titel beim Grand-Slam-Turnier in Paris zu holen. Nach seinem vor allem in dieser Klarheit unerwarteten 7:6(5),6:3,6:0-Erfolg über Titelverteidiger Novak Djokovic hat sich Thiem weltweit in die Sport-Schlagzeilen gespielt. Es war sein 250. Match auf ATP-Tour-Level, passender hätte er das kleine Jubiläum nicht zelebrieren können.

Der Weltranglisten-Siebente könnte mit seinem ersten Einzug in ein Grand-Slam-Endspiel auf Platz sechs, mit dem Titel auf Rang fünf vorstoßen. Verliert er im siebenten Duell mit dem 31-jährigen Spanier zum fünften Mal, dann rutscht er aufgrund der ATP-Arithmetik um einen Platz auf Position acht zurück. Thiem freute sich nur kurz und intensiv, ehe er schon wieder auf Wettkampfmodus schaltete. Schließlich ist das Turnier noch nicht vorbei. Und, ganz wie es auch der unterlegene Djokovic ausdrückte, dieser Dominic Thiem ist hungrig.

"Sicher ist es ein Supergefühl, aber ich kann jetzt nicht in einen Freudentaumel verfallen, weil es weitergeht", erklärte Thiem. Und sieht auch einen Unterschied zu 2016. "Letztes Jahr war ich mit dem Semifinale in gewisser Weise schon ein bisserl zufrieden. Das ist jetzt anders. Ich wollte vor dem Turnier weit kommen und ein gutes Turnier spielen, das ist mir jetzt gelungen." Aber trotzdem gehe es für ihn weiter und er sei voll im Turniermodus. "Ich bin nicht bereit, irgendwelche Freudensprünge zu machen."

Erinnerungen an Rom

Als einziger Sieger über Nadal auf Sand in diesem Jahr scheint Thiem prädestiniert dazu, dem 14-fachen Grand-Slam-Sieger den zehnten French-Open-Titel zu vermasseln. Beim 6:4,6:3-Erfolg vor fast drei Wochen in Rom hatte Thiem sein bestes Tennis ausgepackt. "Sicher hilft es ein bisserl, wenn man im Hinterkopf hat, man hat ihn schon geschlagen dieses Jahr, aber trotzdem wird es ein ganz anderes Match als in Rom", erklärte der Lichtenwörther. Die Bedingungen seien aber in Paris völlig verschieden und in Rom sei ihm alles aufgegangen. "Das wird 'best of five' nicht gehen. Aber ich habe auch in Madrid ein gutes Match gegen ihn gespielt", erinnerte er.

Nadal gegen Thiem könnte gut und gern auch die Endspiel-Paarung in Paris lauten, denn es ist das Aufeinandertreffen der beiden besten Sandplatz-Spieler des Jahres. Schon in Barcelona und Madrid hatten diese Protagonisten das Finale bestritten, dann folgte das Viertelfinale in Rom. Innerhalb von knapp sechs Wochen ist es also das vierte Duell. Thiem: "Er ist der härteste Gegner, den man sich hier in Roland Garros nur vorstellen kann. Er ist wieder in Bestform."

Und erst jetzt, im sechsten Paris-Match 2017, wird Thiem endlich auf dem Court Philipp Chatrier einlaufen. Im Vorjahr war ihm dies wegen der Regenverzögerungen trotz des Halbfinaleinzugs nicht vergönnt gewesen. Thiem hat bisher erst einmal im größten Sandplatz-Stadion der Welt gespielt und das ausgerechnet in seinem ersten Match gegen Nadal 2014.

"Ich werde dort sicher trainieren. Sicher ist es ein bisserl ein Unterschied, weil dort sehr viel Auslauf ist, aber trotzdem ist der Platz im Endeffekt gleich groß wie alle anderen", sieht Thiem keinen Nachteil, erst zum zweiten Mal in Nadals "Wohnzimmer" zu spielen. "Nach ein paar Games wird diese Unerfahrenheit sicher wegfallen."

Der Aufstieg hält an

Im Spiel Nadal gegen Thiem treffen auch zwei der aktuell besten Vorhand-Spieler mit extremem Vorwärtsdrall aufeinander. Der achtfache sieht den 72-fachen Turniersieger auch da noch im Vorteil. "Wir haben beide einen aggressiven Spin. Es gibt noch einige Sachen, wo seine Vorhand um einiges besser ist. Er spielt viel sicherer oder selbstverständlicher den inside-out (Vorhand aus der Rückhand-Ecke, Anm.). Es ist beides unser bester Schlag."

Nadal steht dem Österreicher im Lob für den kommenden Gegner aber um nichts nach. "Er schlägt den Ball sehr hart und ist auf beiden Seiten voller Power. Vorhand, Rückhand, Aufschlag - diese Waffen sind ziemlich gut", sagte Nadal über Thiem. "Er gibt dir nicht viele Möglichkeiten, ich muss ihn in unangenehme Positionen bringen. In Rom war es kein guter Tag für mich, er hat mich in Schwierigkeiten gebracht, das muss ich vermeiden."

Thiem hat mit dem Halbfinaleinzug brutto 530.000 Euro verdient und damit sein Karriere-Preisgeld auf über 7,5 Millionen US-Dollar (brutto) geschraubt. Für den Finaleinzug gibt es 1,06 Mio. Euro, für den Titel 2,1 Millionen. Schafft Thiem die nächste Sensation, dann werden ihm statt 720 sogar 1.200 Punkte für die beiden Weltranglisten gutgeschrieben. Im Race um einen Platz beim Saison-Showdown in London, so viel steht schon fest, wird Thiem nach Paris zumindest Vierter sein. Schafft er gar den zweiten Grand-Slam-Sieg eines Österreichers nach Thomas Muster 1995 (ebenfalls in Paris), ist er zweitbester Spieler des Jahres hinter Nadal.

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