Australian Open: Das unwahrscheinliche Losglück

Australian Open unwahrscheinliche Losglueck
Australian Open unwahrscheinliche Losglueck(c) EPA (Paco Campos)
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Bei den Australian Open 2012 können Nadal und Federer nur im Halbfinale aufeinandertreffen. Zum ersten Mal seit Jahren scheint die Auslosung eines Grand Slams dem Zufall überlassen.

Bei den am Montag beginnenden Australian Open wird es das Traumfinale nicht geben: Rafael Nadal und Roger Federer treffen, wenn alles läuft wie erwartet, schon im Halbfinale aufeinander. Der Sieger könnte dann auf den Weltranglistenersten Novak Djokovic oder den Vierten Andy Murray treffen. Eine kleine Enttäuschung für Fans des Duells zwischen dem stählernen Techniker Nadal und dem filigranen Federer.

Diese Finalbegegnung gab es in den letzten Jahren schließlich immer wieder, gerne auch bei Grand Slams. Aller Unwahrscheinlichkeit zum Trotz. Der Verdacht kam auf, dass bei den Auslosungen geschoben wurde. Die Australian Open 2012 sind der erste Grand Slam seit zumindest 2007, der Nadal und Federer nicht systematisch zu bevorzugen scheint.

Die meisten ATP-Turniere, wie auch die vier Grand Slams, werden im sogenannten Baumsystem gespielt. Eine Tabelle, bei der nach jeder Runde die Hälfte der Spieler ausscheidet, die kommenden Paarungen aber schon klar sind. Nach Grand-Slam-Regeln werden der Erste und Zweite der Weltrangliste jeweils an Ende und Anfang des Baumes gesetzt, damit diese erst im Finale aufeinandertreffen können. Der Dritte und Vierte kommt ja an die Mitte des Baumes. Wer davon an welche Seite der Mitte kommt, ob er im Halbfinale also auf den Weltranglistenersten oder -zweiten treffen kann, wird laut Grand-Slam-Statuten ausgelost.


0,02 Prozent. „In den letzten Jahren ist da etwas sehr Ungewöhnliches passiert“, sagt die tennisbegeisterte Juristin Katarina Pijetlovic von der Technischen Universität Tallinn in Estland: Bei den Australian, US Open und Wimbledon zwischen 2008 und 2011 sind Rafael Nadal und Roger Federer, die beliebtesten Spieler der Welt, immer so gelost worden, dass sie erst im Finale aufeinandertreffen konnten. Dabei standen diese nicht immer auf Platz eins und zwei, waren also auch nicht immer entsprechend gesetzt. „Dass so ein Ergebnis bei fairen Losungen entsteht, hat eine Wahrscheinlichkeit von 0,02 Prozent“, rechnet Pijetlovic vor.

Immer wieder traf Novak Djokovic bei Hart- und Rasenplatzturnieren auf Roger Federer, der auf diesen beiden Untergründen bis zum vergangenen Jahr kaum schlagbar war. In die Baumhälfte von Nadal wurde Andy Murray gelost, der Nadal auf Rasen und Hartplatz unterlegen ist. Auch bei den French Open vermutet Pijetlovic System: Auf Sand hat Nadal sowohl Djokovic als auch Federer meist geschlagen. Nur auf Murray ist der Spanier noch nie auf diesem Belag getroffen. In drei von vier Jahren wurde Nadal bei den French Open mit Djokovic oder Federer zusammengelost – Spieler, die er statistisch gesehen besiegt.

Pijetlovics Beobachtungen harmonieren mit einer Analyse des US-Sportsenders ESPN. Dieser hat für die US-Open-Auslosungen der vergangenen zehn Jahre errechnet, dass die auf Platz eins und zwei gesetzten Spieler immer wieder auf vermeintlich leichtere Gegner trafen als ihre Konkurrenten. Ein weiteres seltsames Ereignis.

„Zwei so unwahrscheinliche Phänomene treten gleichzeitig auf?“, wundert sich Pijetlovic gegenüber der „Presse am Sonntag“. Ob, und gegebenenfalls wie, die Auslosungen geschoben wurden, vermag Pijetlovic aber nicht zu beurteilen. Die Losungen werden live im TV übertragen, beim Zuschauen scheint nichts verdächtig.

Offizielle Grand Slams sowie die Tennisverbände haben sich noch nicht zum Verdacht geäußert. Dass die Auslosung diesmal nicht dem von Pijetlovic beobachteten Muster folgt, kann zwei Gründe haben: Entweder die Gesetze der Wahrscheinlichkeit setzen endlich ein, oder Medienberichten um mögliche Schiebung soll schnell entgangen werden. Dass es in den letzten vier Jahren aber mit rechten Dingen zuging, hat Pijetlovic zufolge eine Wahrscheinlichkeit von 1:32 Milliarden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2012)

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