Hirscher – und dann lange nichts

Marcel Hirscher
Marcel Hirscher(c) GEPA pictures (GEPA pictures Mario Kneisl)
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Mit einem Sieg im Slalom von Madonna di Campiglio verabschiedet sich Marcel Hirscher in die Weihnachtspause. Hinter dem Salzburger klafft aber ein Loch im ÖSV-Team.

Madonna di Campiglio/Ag/Sb. Noch einmal hat Marcel Hirscher alles abgerufen, was der Akku hergegeben hat. Und das war im Flutlichtslalom von Madonna di Campiglio eine ganze Menge. „Mit 101 Prozent“ war Österreichs Ski-Primus eigenen Angaben zufolge unterwegs. „An manchen Stellen war es eigentlich zu viel des Guten“, meinte der 23-jährige Gesamtweltcupsieger.

Der Lohn für das Risiko: imposante 1,67 Sekunden Vorsprung auf den zweitplatzierten Deutschen Felix Neureuther und Platz zwei im Gesamtweltcup, 54 Punkte hinter Aksel Lund Svindal. „Ich habe nach der Fahrt vom Felix nur den lauten Jubel gehört. Da dachte ich mir: ,Jetzt musst du Gas geben‘“, erzählte Hirscher.

Mit seinem siebenten Stockerlplatz im siebenten Technikrennen der Saison hat der Österreicher, der jetzt zu Weihnachten „die Füße auf der Coach hochlagern will“ den Weltcup-Allzeitrekord von Alberto Tomba eingestellt.

Hirscher als Alleinunterhalter

Hirschers Erfolge überdecken aber auch ein wenig die Ergebniskrise im österreichischen Herrenteam. Ohne den 23-Jährigen hätte das ÖSV-Team gerade einmal einen zweiten (Max Franz) und drei dritten Ränge (Klaus Kröll, Joachim Puchner, Hannes Reichelt) auf der Habenseite. Als Hauptgrund für das hinter Hirscher klaffende Loch sieht Cheftrainer Mathias Berthold die teilweise gesundheitlich bedingten Probleme einiger Athleten. Klaus Kröll (Fußwurzelbruch), Romed Baumann (Materialwechsel, Berthold: „Da brennt schön langsam der Hut“) und Matthias Mayer (Gelenkserkrankung) hätten schließlich erst im Oktober mit dem Skitraining beginnen können.

Benjamin Raich hinkt seinen eigenen, hoch gesteckten Speed-Erwartungen hinterher, auch in den technischen Disziplinen sucht er noch nach seiner Form. „Beim Benni ist wichtig, dass er sich jetzt auf die technischen Disziplinen konzentriert und richtig Gas gibt“, sagte Berthold. Hannes Reichelt ist als Elfter zweitbester Österreicher im Gesamtweltcup, hat aber laut Berthold „leider 14 richtig schlechte Tage“ hinter sich. Auch Georg Streitberger schaffe derzeit keinen vollkommen gelungenen Lauf.

Berthold ist aber um Beruhigung bemüht: „Ich sehe die bisherigen Ergebnisse nicht mit Besorgnis. Die Mannschaft braucht Zeit, um richtig in Schwung zu kommen. Und die kriegt sie auch“, meinte der Vorarlberger. „Ich stelle mich vor diese Truppe. Weil ich jeden Tag sehe, wie sich die Jungs den Hintern aufreißen, um alles superperfekt zu machen und eine noch bessere Linie zu fahren. Bis jetzt ist es leider noch nicht so oft belohnt worden. Teilweise ist mit ein bisschen Pech eine schlechte Optik entstanden“, sagte Berthold, der aber nicht einmal 50 Tage vor der WM in Schladming auch hinzufügte: „Im Jänner geht es dann richtig los. Da müssen alle da sein, keine Frage.“

Dass der Kampf um die Qualifikation für die Heim-WM hemmend wirken könnte, glaubt Berthold nicht: „Das ist doch wurscht. Wir wollen immer gut fahren.“ ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel sah das im ORF anders: „Unsere Athleten sind wegen des WM-Kampfes nervös, eine Heim-WM ist ja etwas Besonderes. Die Qualifikation bremst im Hinterkopf.“

Die nächste Chance auf Verbesserung bietet sich bei der Abfahrt in Bormio am 29. Dezember. Noch vor Weihnachten werden die ÖSV-Herren auf der Schladminger WM-Piste trainieren.

Tod neben der Piste

Überschattet wurde der Slalom in Madonna di Campiglio von einem Todesfall: Ein 72-jähriger Skilehrer, der beim Rennen als Torrichter fungierte, erlitt einen Herzinfarkt. Versteckt hinter einer kleinen Werbebande kämpften zahlreiche Helfer, unter ihnen zwei Ärzte, eine Stunde lang mit einem Defibrillator um das Leben des Italieners, der aber noch auf dem Hang verstarb.

Skiweltcup in Zahlen

Slalom Madonna: 1. Marcel Hirscher (AUT) 1:42,50 Min. 52,07 50,43 2. Felix Neureuther (GER) +1,67 52,13 52,04 3. Naoki Yuasa (JPN) +2,28 54,13 50,65 4. Andre Myhrer (SWE) +2,34 53,35 51,49 5. Manfred Mölgg (ITA) +2,52 52,75 52,27 6. Markus Vogel (SUI) +2,68 53,16 52,02 7. Reinfried Herbst (AUT) +2,75 53,28 51,97 8. Leif Kristian Haugen (NOR) +2,96 53,17 52,29 9. Ted Ligety (USA) +3,04 53,09 52,45 10. Ivica Kostelic (CRO) +3,20 53,88 51,82 11. Markus Larsson (SWE) +3,28 53,97 51,81 12. Benjamin Raich (AUT) +3,34 53,56 52,28 13. Steve Missillier (FRA) +3,43 53,86 52,07 14. Henrik Kristoffersen (NOR) +3,70 53,49 52,71 15. Mitja Valencic (SLO) +3,83 53,33 53,00 und Steven Theolier (FRA) +3,83 53,86 52,47 17. Manfred Pranger (AUT) +3,89 54,09 52,30 24. Wolfgang Hörl (AUT) +5,11 54,02 53,59.

Slalomweltcup: 1. Marcel Hirscher (AUT) 240 2. Andre Myhrer (SWE) 200 3. Felix Neureuther (GER) 196 4. Manfred Mölgg (ITA) 119 5. Alexis Pinturault (FRA) 108 6. Jens Byggmark (SWE) 105.

Gesamtweltcup: 1. Aksel Lund Svindal (NOR) 614 2. Marcel Hirscher (AUT) 560 3. Ted Ligety (USA) 537 4. Kjetil Jansrud (NOR) 322 5. Felix Neureuther (GER) 296 6. Manfred Mölgg (ITA) 281.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2012)

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