Vierschanzentournee: Der Wunschtraum zweier Unvollendeten

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Simon Ammann und Martin Schmitt gelten als Skisprungstars, sie wurden Weltmeister, tragen Olympiagold, sind Gesamtweltcupsieger. Doch der Triumph beim Schanzenklassiker will ihnen partout nicht gelingen.

Oberstdorf. „Der Skisprung-Opa ist bei der Tournee dabei!“ Die „Bild“-Zeitung neigt zur plakativen Übertreibung. Doch im Fall von Martin Schmitt war es tatsächlich bis Freitagnachmittag nicht sicher, ob der 34-jährige Skispringer im Aufgebot der DSV-Springer für die heute mit der Qualifikation (16 Uhr, ORF eins) in Oberstdorf beginnende Tournee stehen wird. Schmitt gilt in Deutschland neben Sven Hannawald weiterhin als das Aushängeschild des Skisprungsports, obgleich seine große Zeit längst vorbei ist. Seit Lahti 2002 tingelt er sieglos durch den Weltcup. Doch ihm und seinem lila Helm ist es zu verdanken, dass Skispringen in Deutschland noch immer so populär ist.

Es springt aber auch ein Hauch Nostalgie beim Schwarzwälder mit. 28 Weltcupsiege, vier WM-Titel und Olympiagold stehen zu Buche, zwei Siege im Gesamtweltcup – aber in bislang 16 Anläufen ist ihm nie der Tourneesieg gelungen.

Den wird er aller Voraussicht nach auch bei der 61. Tournee nicht erringen. Schmitt und die Vierschanzentournee, das passt einfach nicht. Zweimal wurde er Dritter, immer jubelten andere. Und für die 61. Auflage musste sich der Veteran sogar im Kontinentalcup, der an sich für Nachwuchsathleten vorbehaltenen B-Liga, in Engelberg qualifizieren.

Sein Sprungstil erfüllt nicht mehr die Anforderungen der Gegenwart, Athletik und Material stehen über der Methode mit Gewicht und flatternden Anzügen. An Aufgabe habe er kurz gedacht, sie aber nie wirklich erwogen.

„Ich bin zufrieden, die Tendenz geht nach oben“, sagt einer, der vor zehn Jahren noch unentwegt kreischende Teenager im Schanzenauslauf der Dehydrierung und ihre Eltern der Verzweiflung nahegebracht hat. Jetzt ist er zufrieden, überhaupt dabei zu sein. Es sei doch die Tournee, das größte, schönste, wichtigste Turnier der Saison, fügt der Deutsche kleinlaut hinzu, und obwohl er weiß, dass ab Sonntag andere im Rampenlicht stehen, hat er die Aufmerksamkeit genossen. Vielleicht hat er ja deshalb nie aufgegeben.

Die Vorstellung, dass er außer Skispringen ansonst nichts mit seiner Zeit anzufangen wisse, kommentierte er nicht. Dafür sprach Trainer Werner Schuster deutliche Worte: „Solange Martin das Gefühl hat, dass er die Lücke zu den anderen schließen kann, wird er weitermachen.“ Ein Lückenbüßer sei er jedenfalls nicht . . .

Wunsch oder Verzweiflung?

Ein Schanzenstar, aber nicht Tourneesieger zu sein, mit diesem Makel „zieht“ auch der Schweizer Simon Ammann über den Bakken. Vier Olympia-Goldene baumeln in seiner Vitrine, der 31-Jährige ist Weltmeister und wie Schmitt Gesamtweltcupsieger. Er gewann 20 Weltcupspringen. Aber die Tournee? Zweimal wurde er Zweiter, einmal Dritter. Diesen Negativlauf will Ammann stoppen: „Ich habe doch genug Erfahrung, ich weiß ja auch, wie es funktioniert.“

Nur gelingen will es nicht, dabei hat ihn das Skispringen längst verändert, sogar verwandelt. Aus „Harry Potter“, wie er 2002 aufgrund seiner Brillen genannt wurde, ist ein Millionär, ein erwachsener Ehemann geworden. Er hat den Pilotenschein (Sichtflug, Anm.) gemacht und lebt vollkommen sorgenfrei. Trotz vieler Rückschläge und einer sieglosen Zeit – er hat 2011 zuletzt wie Schmitt in Lahti gesiegt und diese Saison einen Podestplatz zu Buche stehen – habe er nie mit dem Gedanken gespielt, aufzuhören. „Ich habe Spaß und will mir unbedingt meinen großen Wunsch erfüllen: Ich will die Tournee gewinnen.“
Es dürfte ein verzweifelter Wunsch bleiben. Für zwei Sportstars bleibt die Vierschanzentournee eine unvollendete Episode ihrer großen Karriere.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2012)

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