Tournee: Zwei Sprünge bis zur Glückseligkeit

Tournee Zwei Spruenge Glueckseligkeit
Tournee Zwei Spruenge Glueckseligkeit(c) APA BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
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Für Tourneefinale und "Schlieri-Mania" gerüstet: Bischofshofen lockt alljährlich die Massen zum Finale der Vierschanzentournee, und der letzte Bewerb des Schanzenklassikers will auch gebührend gefeiert werden.

Innsbruck/Bischofshofen. Es regnete am Samstag in Strömen, doch davon ließen sich echte Skisprungfans die Laune nicht verderben. Schon am späten Vormittag hatten sie einen der unzähligen Punsch- und Glühweinstände auf dem Weg vom Stadtzentrum hinauf zur Schanze in Beschlag genommen. Es gab auch viel Schnaps, Signalhupen heulten auf, sie waren nicht zu überhören und zu übersehen. Von ihrer Ausdünstung ganz zu schweigen...

Bischofshofen lockt alljährlich die Massen zum Finale der Vierschanzentournee, und der letzte Bewerb des Schanzenklassikers will auch gebührend gefeiert werden. Die Stadt mit knapp 10.000 Einwohnern ist für den Ansturm gerüstet. Es gibt kaum noch freie Hotelzimmer, dafür zig Lokale, die mit der Tournee, Happy Hour und Schlierenzauers Sieg werben. Deshalb sangen die mit Fahnen und rot-weiß-roten Hüten ausgestatteten Fans auch umso lauter: „Schlieri, wir lieben dich!“

Der Stubaier und seine Anhänger haben auch wahrlich allen Grund zur Freude. Nach dem überragenden Sieg auf dem Bergisel hat der Titelverteidiger vor dem heutigen Finale (ab 16.30Uhr, ORFeins) 10,7 Punkte Vorsprung auf seinen größten Widersacher, den Norweger Anders Jacobsen. Aufgrund seiner Konstanz – Schlierenzauer stand seit Engelberg in jedem Bewerb auf dem Podest – ist davon auszugehen, dass der am 7.Jänner 23Jahre alt werdende Tiroler zum zweiten Mal in Serie die Vierschanzentournee gewinnt.

Die Titelverteidigung ist bereits zwei Österreichern vergönnt gewesen, Hubert Neuper (1981) und Ernst Vettori (1987). „Der Weltcup ist kein Gugelhupf-Bewerb“, blockte Schlierenzauer aber alle lästigen Fragen mit innovativen Aussagen ab. „Es kann noch alles passieren, dafür habe ich in der Vergangenheit zu viel erlebt. Erst nach dem zweiten Sprung werden wir Gewissheit haben.“ Und auch einen Schuss Glückseligkeit mehr, denn dann würde sich der Umsatz der Glühweinstände getrost vervielfachen...


Der beste Springer der Welt. Vergessen schienen nach Schlierenzauers Machtdemonstration in Innsbruck alle Diskussionen über Schuhe und Material. Auch war von einem Tief oder gar einer Krise keine Rede mehr. Jacobsen habe einfach Glück, besseren Wind und ja, sagt Cheftrainer Alexander Pointner, auch die Gunst der Stunde genützt. „Er ist eine Sportgröße, daran besteht kein Zweifel. Aber er kam aus dem Nichts, er hatte ein Jahr pausiert und plötzlich wieder Erfolg. Er hat Nerven gezeigt, ist jetzt sicherlich angeschlagen – wie ein Gegner von Wladimir Klitschko, wenn er in die Gerade läuft.“

Eine Gerade, das waren die beiden Sprünge des Tirolers in seinem „Wohnzimmer“ durchaus. 131,5 und 123 Meter, in makellosem Stil, mit filigraner Technik. Dass Schlierenzauer nun beim Finale taktieren werde, glaubt Pointner nicht. Dafür sei einerseits der Vorsprung nicht groß genug, anderseits sei Schlierenzauer trotz aller Beteuerungen zu ehrgeizig – er will die Tournee und das Finale gewinnen.

Dass Anders Jacobsen doch noch sein zweiter Sieg nach 2007 gelingt, daran glauben nur noch die wenigsten. Einer davon ist jedoch der Sieger von 1994, sein Landsmann Espen Bredesen. Er hat vor dem letzten Bewerb 12,2Punkte Rückstand auf Jens Weißflog gehabt – und gewonnen. Er sagt: „Anders kann es schaffen, aber es wird nicht leicht. Denn er trifft auf den besten Springer der Welt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.01.2013)

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