Schlierenzauer - Erfolg ist für ihn ein Privileg

Schlierenzauer ndash Erfolg fuer
Schlierenzauer ndash Erfolg fuer(c) APA GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Gregor Schlierenzauer, 23, gilt als bester Skispringer der Gegenwart. Der Tiroler springt seit 2006 im Weltcup, Tourneesiege, Fluggefühl und Perfektion begleiten den Höhenflug. Die Familie ist Quell seiner Kraft.

Bischofshofen. Olympiasieger mit der Mannschaft, dazu zwei Bronzemedaillen, Weltmeister im Einzel und mit dem Team, Skiflugchampion, Gesamtweltcupsieger, mit 44 Siegen auf bestem Wege zum alleinigen Rekordhalter und seit Sonntag auch zweifacher Tourneesieger – allein diese Bilanz führt einem sehr schnell vor Augen, dass der Stubaier Gregor Schlierenzauer einer der erfolgreichsten Sportler des Landes ist.

Der Springer aus Fulpmes ist seit der Saison 2006 im Weltcup unterwegs und hat trotz all seiner Erfolge bislang eines ganz gut gemeistert: Er hat, trotz zeitweiliger launischer-stressbedingter Auftritte, nie den Boden unter den Füßen verloren. Und: Schlierenzauer hat es geschafft, im Rampenlicht der Öffentlichkeit erwachsen zu werden, ohne sein Privatleben vollends preiszugeben und dabei auch seine Persönlichkeit gewahrt.

Ab nach Hause, abschalten!

Der Tiroler liebt die Fotografie, aber nicht, weil er sie dazu benützt, um das Leben durch eine Linse zu betrachten, sondern, weil er Augenblicke festhalten kann. Momente der Stille, Einhalt, fern der Medien und der tausenden Fans. Auch trinkt Schlierenzauer hin und wieder ganz gern ein Bier. Vorzugsweise in einem Lokal, „hoffentlich unerkannt“.

Schlierenzauer ist das Zugpferd der Skispringer, und obgleich sich neben ihm auch Tourneesieger wie Thomas Morgenstern, Andreas Kofler oder Wolfgang Loitzl im Team drängen, überstrahlt sie der Stubaier, der heute seinen 23.Geburtstag feiert, alle. Es ist die Konstanz, die Beobachtern imponiert, seine makellose Technik und seine unstillbare Akribie, der Drang nach Perfektion, die Gegnern Respekt abverlangen, und es ist sein Fluggefühl, das Fans selbst vom Absprung träumen lässt.

Der Tiroler zeigt Emotionen; er ist nahbar geworden, aber ebenso in Augenblicken, in denen es ihn nicht so recht freut, weiterhin erdig. Dann ist er nicht zu erreichen, dann hat sein Privatleben Vorrang. Öfters zieht er sich während der Saison zurück, er ist ein Familienmensch. Nicht umsonst begleitet Markus Prock, sein Onkel und Manager, jeden seiner Schritte – er gibt ihm den nötigen Rückhalt. Aber der Augenblick der Ruhe ist für Schlierenzauer Gold wert. Er sagt: „Wenn du permanent mit irgendetwas konfrontiert wirst oder unterwegs bist, reicht es dir eben auch irgendwann. Dann muss ich abschalten, und das geht daheim am besten. Ich war während der Tournee zwei Tage zu Hause, ich habe mich beruhigt, alles analysiert, allein in die Infrarotkabine gesetzt. Das befreit ungemein.“

Der Letzte auf dem Balken

Schon früh war der Familie Schlierenzauer klar, dass ihr Sohn eine Sportkarriere einschlagen wird. Als Neunjähriger tauchte „Schlieri“ erstmals beim SV Innsbruck-Bergisel auf. Ein Freund hatte ihn mitgenommen, die Liebe zum Fußball war passé, zu schön waren die ersten Versuche mit Alpinskiern auf der Schanze. Aus Freude wuchs das Verlangen, „eine Sucht“, sagt Schlierenzauer und lacht. Das ist es auch heute noch, aber mit dem anspruchsvollen Beisatz, dass er immer und gegen jeden, vor allem den Teamkollegen, gewinnen will.

Sein Potenzial wurde schnell entdeckt von Toni Innauer oder Markus Maurberger, seinem ersten Trainer. Mit 16 war er Doppelweltmeister bei den Junioren, und in seinem dritten Weltcupspringen erstmals ganz oben auf dem Podest. Diese Erfahrung wird Schlierenzauer immer vorantreiben, die vergisst er nicht: „Wenn du als Letzter oben sitzt auf dem Balken, alle warten nur noch auf dich, läuft mir immer eine ,Ganslhaut‘ runter. Speziell war's jetzt auf dem Bergisel. Aber das ist generell so: Dort oben auf dem Balken, da wirst du nervös, da spürst du das Adrenalin. Das gibt mir den Kick.“

Nur der Olympiasieg fehlt noch

Der Verlauf seiner Karriere und die Entwicklung seines Lebens gehen Hand in Hand, der Tiroler ist mit dem Sport erwachsen geworden und dank seiner Siege und Sponsoren getrost bar aller Geldsorgen. Dennoch, in sieben Weltcupjahren hat er sich auch als Mensch verändert. Er habe seine Verbissenheit verloren, er empfinde sein Tun, primär den Erfolg, als Privileg. Das könne nicht jeder, er als Ausnahmekönner schon, denn mit jedem Sprung falle ihm alles „mental noch leichter“. Schlierenzauer hat in sieben Jahren bis auf Olympiagold im Einzel alles gewonnen, was im Sprungsport von Bedeutung ist, dabei aber auch große Lehren gezogen. Es geht nicht immer nach Wunsch, „aber sonst wäre es ja fad. Das macht den Reiz aus, das Gewinnen und das Zurückkommen.“

Seinen Konkurrenten muss diese Gelassenheit zu denken geben. Denn die Zeit spricht – „sofern ich mich nicht gröber verletze“ – für den 23-Jährigen. Für ihn bleiben die Ziele darum unverändert: Er will im Februar die WM in Val di Fiemme gewinnen und 2014 in Sotschi und erneut bei der Tournee auftrumpfen. Er sagt: „Es gibt für mich nichts Schöneres. Denn so bleibe ich immer der Titelverteidiger meines Kindheitstraumes.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2013)

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