Fenninger: „Plötzlich war ich Anna Nationale“

PK OeSV: ANNA FENNINGER
PK OeSV: ANNA FENNINGERAPA/HANS KLAUS TECHT
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Anna Fenninger ist knapp drei Wochen vor Beginn der Heim-WM in Schladming Österreichs Teamleaderin wider Willen. Ein Gespräch über Fankult und Form.

St. Anton. Ihre Worte wählt sie überlegt aus. Dummheiten entkommen ihr nicht. Anna Fenninger weiß, was sie tut. Und was sie sagt. Große Sprüche sind ihr fremd. Die braucht es auch nicht, um erfolgreich zu sein. 450 Punkte hat Fenninger in dieser Saison schon gehamstert. Eine beachtliche Ausbeute, die sie im WM-Winter neben Technikspezialistin Kathrin Zettel zum Aushängeschild im ÖSV-Damenlager avancieren ließ. Die Salzburgerin ist zwar nicht heimlich, aber still und leise zur Teamleaderin gereift, wenngleich sie sich mit dieser Bezeichnung nicht identifizieren kann.

„Ich fühle mich nicht als Teamleaderin. Ich bin doch noch fast die Jüngste“, kontert die 23-Jährige, die sich nicht zwanghaft in vorgegebene Rollen pressen lässt. Es widerspricht ihrem Naturell, auf Eigeninitiative im Rampenlicht zu stehen. „Für mich gibt es kein internes Ranking, insofern auch keine Leaderin.“ Zur Weltmeisterschaft nach Schladming wird sie trotzdem als solche anreisen, weil sie sich über Leistung dazu qualifiziert hat und Fans wie Medien in ihr die Anführerin sehen. Beim Spektakel des Jahres mimt Fenninger die Hoffnungsträgerin einer ganzen Ski-Nation.

Eine Medaille fürs Glücklichsein

Die öffentliche Erwartungshaltung wird – auch ohne die mannschaftliche Überlegenheit im Weltcup – gewaltig sein. Fenninger glaubt zu wissen, was sie von 4. bis 17.Februar erwartet. „Ich konnte mich zwei Jahre darauf einstellen, dass ich als Kombi-Weltmeisterin zur Heim-WM komme“, bemerkt die Halleinerin, die in vier Disziplinen zum Kreis der Medaillenanwärterinnen zählt und einzig auf den Slalom verzichtet. Fenninger ist sich ihrer zahlreichen Chancen auf Edelmetall bewusst, schiebt den Druck aber von sich. „Reise ich mit einer Medaille um den Hals ab, bin ich schon zufrieden.“

In Schladming wird Fenninger in das Visier tausender Fans geraten. Ein gewöhnungsbedürftiger Umstand, mit dem sie erst umzugehen lernen musste. Ihr erster Weltcupsieg in Lienz Ende 2011 löste eine Welle der Begeisterung aus. Fenninger fühlte sich fortan in ihrer Haut nicht mehr wohl. „Plötzlich war ich Anna Nationale. Ich sollte allen entsprechen, jedem Autogrammwunsch nachkommen“, erinnert sich Fenninger, die sich vieles zu Herzen nahm. „Wenn Kinder zu weinen beginnen, weil sie kein Autogramm von mir bekommen, geht mir das nahe“, gewährt Fenninger im Gespräch mit der „Presse“ Einblick in ihr Seelenleben. Österreichs „Aufsteigerin des Jahres 2011“ musste lernen, Prioritäten zu setzen. Heute sieht sie alles differenzierter. „Wenn ich keine Zeit habe, dann habe ich eben keine. Dafür muss ich mich nicht rechtfertigen. Wenn ich sie habe, komme ich ohnehin allen Wünschen gern nach.“

Fenningers „schönstes Gefühl“

Die Formkurve Richtung Schladming stimmt, der Sieg im Semmering-Riesentorlauf brachte zusätzliches Selbstvertrauen. Und das Wissen, auch im rot-weiß-roten Fahnenmeer nicht unterzugehen. Die hoffnungsvollen Fans entlang der Strecke empfindet Fenninger nicht mehr als zusätzliche Belastung, vielmehr als Motivation.

Sie ermöglichen es erst, die letzten Prozentpunkte freizusetzen. „Ich habe dieses Stadium erreicht, in dem mich die Fans beflügeln, nicht unter Druck setzen. Das ist das schönste Gefühl, das ein Sportler verspüren kann.“

Ihre größte Goldchance dürfte Fenninger im Riesentorlauf vorfinden, „weil es ein schwieriger Hang ist“. Das Streckenprofil der Abfahrt kommt ihr indes nicht entgegen. „Die ist eher flach, mit langsamen, lang gezogenen Kurven. Mir taugt es mehr, wenn es zur Sache geht“, sagt Fenninger, die mit ihrer skifahrerischen Entwicklung zwar „sehr zufrieden“ ist, aber immer noch über Entwicklungspotenzial verfügt. „In den langsamen Abfahrtskurven verliere ich zu viel Zeit. So lange dieses Manko nicht korrigiert ist, fühle ich mich auch nicht als echte Abfahrerin.“

Die anspruchsvolle Abfahrt in St.Anton (11.20h, ORF eins, live) sagt Fenninger zu. Im ersten Training war sie hinter Lara Gut Zweite. Der Lauf am Freitag wurde wegen starken Schneefalls abgesagt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2013)

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