Hirscher "schenkte" Ligety mit Patzer den Sieg

Marcel Hirscher
Marcel Hirscher REUTERS
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Der Salzburger Marcel Hirscher war drauf und dran, in Adelboden neue Riesentorlaufmaßstäbe zu setzen. Weil er das Risiko übertrieb, erbte der US-Amerikaner Ted Ligety den Sieg.

Am Ende stand er da und wusste eigentlich nicht so richtig, wie ihm eigentlich in dieser Winterlandschaft geschah. Bereits im ersten Durchgang des Riesenslalom-Klassikers von Adelboden seien einige „sehr geile Schwünge“ dabei gewesen, was folgte, das war eine einzige Machtdemonstration. Eine Vorstellung der Extraklasse, wie man sie zuletzt nur vom US-Amerikaner Ted Ligety gesehen hat. Der Riesenslalomspezialist, der diese Disziplin in den vergangenen Jahren neu definiert hat, harrte bereits im Ziel aus. Als Führender, der sich damit begnügte, sicher ins Tal zu kommen. Rang zwei, das wusste er, war ihm nicht mehr zu nehmen.
Als Marcel Hirscher bis zur letzten Kuppe einen Vorsprung von über einer Sekunde herausgeholt hatte, gab er sich bereits geschlagen. Voreilig, wie sich herausstellen sollte. Denn der Salzburger wurde Opfer seiner eigenen Risikobereitschaft, er drosselte das Tempo nicht, fuhr über dem Limit – ein schwerer Fehler war die Folge. Statt Triumph und Wiederholung des Vorjahressieges wurde es nur Platz 16.

Die Erfolgsserie von Marcel Hirscher ist ausgerechnet dort, wo er vor zwölf Monaten einen Doppeltriumph gefeiert hat, gerissen. In den ersten neun Technikrennen hat er neun Podestplätze herausgefahren, diesmal hat er den Sieg sozusagen verschenkt. Als dankbarer Erbe stellte sich Ted Ligety ein, damit hat sich nun auch der US-Amerikaner in die Ehrenliste eingetragen. So wie sich das für die ganz großen Riesentorläufer auch gehört. „Dieser Erfolg bedeutet mir sehr viel. Nett, dass ich zu den Beschenkten gehöre. Rang eins hier, das ist eine große Geschichte. Ich hatte großes Glück. Marcel Hirscher hätte den Sieg wirklich verdient.“

Der 23-jährige Salzburger durfte sich nur als heimlicher Sieger fühlen, er hat den (technischen) Rückstand auf Ted Ligety mehr als wettgemacht. Er hat ihn offenbar wieder eingeholt. „Ich wollte unbedingt gewinnen“, sagt er im Zielraum, während die 28.000 Skifans auf dem Chuenisbärgli kreischten. „Jetzt kann ich mir nicht einmal ein Wurstsemmerl drum kaufen – aber ich habe heute wieder einmal brutal viel gelernt.“ Er hat übers Ziel hinausgeschossen, das war ihm auch bewusst. „Heute habe ich die Grenze leider überschritten. Ich habe es übertrieben – und bin dafür bestraft worden.“ Aber unterm Strich sei er erleichtert. „Die Leistung bedeutet für mich eine extreme Genugtuung. Das sind die Rennen, die mich weiterbringen. Ich werde schneller, schneller und schneller!“

Ligety hat die Leistungsexplosion von Marcel Hirscher genau beobachtet, die Favoritenrolle vor der WM in Schladming will der US-Amerikaner gar nicht wegwischen. „Druck? Natürlich habe ich Druck. Aber das war in Garmisch vor zwei Jahren auch schon so.“ Und auch in diesem Winter ist Ted Ligety im Disziplinenweltcup ganz klar in Führung. Im Gesamtweltcup ist die Führung des Österreichers auf 26 Punkte zusammengeschmolzen, weil der Norweger Aksel Lund Svindal gestern Sechster wurde. Für den Slalom aber verspricht Hirscher zur Abwechslung „Vollgas!“

Für die restlichen Österreicher hieß es, den Kampf um die WM-Tickets offenzuhalten. Philipp Schörghofer als Siebenter und Benjamin Raich als Achter dürften ihre Chance genützt haben. „Mir ist schon ein mittelgroßer Felsen vom Herzen gefallen“, meinte Schörghofer. „Diesmal waren endlich wieder einmal coole Schwünge dabei. Es zwar alles noch nicht ideal, aber ich befinde mich auf dem Weg der Besserung. Bis zur WM könnte ich wieder in Form sein.“ Nicht ganz zufrieden auch Benjamin Raich. „Ich hatte mir eigentlich schon mehr vorgenommen, aber ich hatte nicht den richtigen Zug am Ski.“
Nicht mit Kritik sparte Herren-Cheftrainer Mathias Berthold. „Im ersten Durchgang sind einige ins Abseits gefahren. Das hatte nichts mit Skirennsport zu tun, das war Skiurlaub!“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2016)

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