Hirscher: Der waghalsige Tanz mit der Angst

ALPINE SKIING - OESV, Hirscher, Franz
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Marcel Hirscher hat über den Sommer die Liebe zum Slackline entdeckt. Der dreimalige Gewinner des Gesamtweltcups geht völlig gelassen in die neue Saison: „Ich habe das Skifahren nicht verlernt.“

Wien. Im alpinen Skizirkus steigt schön langsam die Vorfreude auf den Weltcupauftakt Ende Oktober in Sölden. Athleten, die an Eis und Schnee gewöhnt sind, brauchen offenbar nicht so viel Sommer. Dennoch hat Marcel Hirscher den spätsommerlichen Freitag in Wien genossen, auf dem Rathausplatz zwischen den Zirkuszelten fühlte sich der 25-Jährige auch gleich wieder in seine Kindheit zurückversetzt. Der Sponsor hatte gerufen – und ein Hirscher hat immer etwas zu erzählen. Am Samstag wird er einer der vielen Gäste beim Tag des Sports (siehe Seite 13) sein.

Der dreimalige Gewinner des Gesamtweltcups plaudert über die Vorbereitung, seinen Urlaub, er macht sich Gedanken über die neue Saison. Und er erzählt über eine ganz besondere Mutprobe. Im Sommer ist Marcel Hirscher für einen Raiffeisen-Werbespot auf über 30 Metern Höhe über eine Slackline balanciert. „Zuerst habe ich gedacht, die sind jetzt komplett deppert“, erinnert sich Hirscher. Die Kampagne steht unter dem Motto „Gehe deinen Weg“ – was unter gewissen Umständen wirklich keine Leichtigkeit darstellt.

Der Werbespot wurde bei der Schattberg-Nordbahn aufgenommen. Das Band war vom letzten Stützpfeiler bis zur Bergstation gespannt, Hirscher bestens gesichert. „Ich hatte Angst“, gesteht der Salzburger. „Viel Angst.“ Aber er hat sich dennoch überwunden. „Es war atemberaubend. Und am Ende eine coole Challenge und ein Spaß.“ In Kombination mit Angst.

Beim Skifahren hingegen kennt Marcel Hirscher keine Angst. Da ist ihm kein Hang zu steil oder zu eisig. Auch in Südamerika, wo man sich in Form gebracht hat, nicht. 16 von 17 Tagen habe man in Ushuaia (Feuerland) optimal nützen können. Was den Edeltechniker zufrieden stimmt. „Zwölf Tage Riesentorlauf, vier Tage Slalom – Super-G null!“, berichtet der Slalomgigant. Damit ist auch klar, auf welche Disziplinen Hirscher auch heuer wieder sein Hauptaugenmerk legt. Selbst im WM-Jahr (Titelkämpfe in Vail) will er seine Kräfte richtig eingeteilt wissen.

Speed-Bewerbe gehören also auch weiterhin nicht so ganz dazu. „Nur dann, wenn es einen Sinn ergibt.“ Wie beispielsweise in Kitzbühel, wo der Super-G an eine Super-Kombination gekettet ist. Marcel Hirscher behauptet, über den Sommer das Skifahren nicht verlernt zu haben. Wer ihn kennt, der weiß, dass er wie ein Teufel trainiert hat. Schonung kennt er nicht, auch in der Kraftkammer nicht. Und selbst das Motocrossfahren betreibt er so intensiv, dass andere aus dem Sattel fallen würden. „Für mich ist das Spaß und Training.“

Prognosen für die neue Saison gibt Hirscher nicht ab. „Meine Erwartungen? Ich gehe das alles ruhig an.“ Das Rennfieber werde schon noch kommen, mittlerweile verfüge er auch schon über die nötige Erfahrung. „Ich will ganz vorn mitfahren. Wie in den letzten Jahren. Und ich glaube, das sollte mir gelingen. Aber du weißt halt nie, was die anderen so gemacht haben. Was wirklich los ist, das werden wir erst nach Sölden wissen.“

Der 25-Jährige verweist darauf, dass es in den letzten Jahren immer schwieriger geworden sei, sich die große Kristallkugel zu holen. „Mein erster Gesamtweltcupsieg war für die Medien das Größte“, sagt Hirscher. „Das zweite Mal wurde auch noch recht lässig empfunden. Der dritte Gesamtweltcupsieg ist dann fast schon als normal betrachtet worden. Dabei war das eine echt brutale Saison.“

Vor dem Zirkus Roncalli vor dem Rathaus balancierte am Freitag auch Werner Franz. Der 25-jährige Kärntner peilt seinen ersten Weltcupsieg an, er hat obendrein das Techniktraining ausgebaut. „Heuer will ich den Riesentorlauf forcieren. Die Abfahrten sind immer technischer geworden, die Kurven werden immer enger. Nur geradeaus – das spielt's doch nicht mehr.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2014)

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