Neuer Trainer, neue Zuversicht, Mut und neues Glück

Skispringen. Gregor Schlierenzauer, 24, fiebert dem ersten Absprung in der WM-Saison entgegen. Das Hadern der Vergangenheit hat er abgelegt.

Wien. Skisprungstar Gregor Schlierenzauer ist nach einer enttäuschenden Olympia-Saison mit anschließenden Auszeit-Gedankenspielen wieder voller Tatendrang. Ermöglicht hat diesen „Neustart“ vor allem auch die Ablöse des langjährigen ÖSV-Cheftrainers Alexander Pointner. Dahinter hatten Beobachter Schlierenzauer durchaus als Mitauslöser vermutet, was der Tiroler aber mit Nachdruck dementiert.

Es habe bei Olympia in Sotschi zwar einen heftigen Disput gegeben, er habe daraufhin aber lediglich ganz allgemein Veränderungen gefordert, betonte der Tiroler. Dass ihm das als Ursache für das Ende der Ära Pointner angekreidet wurde, habe ihn getroffen. „Es war für mich speziell im April keine einfache Zeit, in der mir fast jeder die Schuld gegeben hat, dass ich den Alex abgesägt habe. Das habe ich nicht getan. Ich habe in Planica nie seinen Namen genannt, sondern immer gesagt, es muss sich im System etwas ändern. Ich habe nie gesagt: Der Alex muss weg“, erläuterte der Weltcuprekordgewinner.

Es habe aber dennoch Differenzen gegeben, die waren weder zu überhören noch zu übersehen. Das sei aber auch in Zeiten der großen gemeinsamen Erfolge der Fall gewesen, stellte Schlierenzauer klar und bekräftigte, dass er von Pointner über die Jahre sehr profitiert habe. „Ich bin dankbar, dass ich ihn gehabt habe, ohne ihn hätte ich nie 52 Siege erreicht.“

Kuttin: Neuer Wind und Mut

In letzter Zeit habe sich der Profit aus der Partnerschaft aber verringert. „Ich habe viel von ihm gelernt. In den letzten Jahren, so ehrlich muss man sein, war es nicht mehr das für mich“, erklärte Schlierenzauer. In Sotschi seien dann auch noch öffentlich gewisse Dinge „unter der Gürtellinie“ vorgefallen, auf die er im Detail aber nun nicht mehr weiter eingehen wolle.

Seit dem Frühjahr, als Heinz Kuttin als Pointner-Nachfolger installiert wurde, sei es noch zu keinem klärenden Gespräch mit dem Ex-Coach gekommen. „Ich habe mit ihm Kontakt aufgenommen am Telefon. Aber wir haben uns noch nicht getroffen, weil er auch noch nicht bereit ist, hat er gesagt“, meinte Schlierenzauer. Ein gemeinsames Essen zur Feier seines Weltcuprekordes stehe noch aus. Das wolle er gern nachholen, so der Stubaier. Womöglich erfährt er aber schon vorher in Pointners Buch „Mut zum Absprung. So entstehen Höhenflüge“, das demnächst erscheint, etwas Neues.

Die Verpflichtung Kuttins und erste Gespräche mit dem neuen Trainer haben Schlierenzauer darin bestärkt, keine Auszeit zu nehmen. „Wenn alles gleich geblieben wäre, hätte ich ein Jahr Pause gemacht, weil ich im gewohnten System für mich keine Weiterentwicklung gesehen habe“, sagt der Skispringer, der nun aber wieder motiviert ist. „Jetzt ist ein Neustart da, was mir auch sehr gut taugt. Dass ich nach acht Jahren einmal etwas anderes habe, einen neuen Input bekomme.“ Er sei mit 24 Jahren ja nach wie vor noch jung und er könne von jedem Trainer etwas lernen und sich weiterentwickeln. „Genauso ist es jetzt beim Heinz.“

Keine Grabenkämpfe mehr

Kuttin habe vielem vorgebeugt, indem er die Stützpunkttrainer zu seinen fixen Ko-Trainern gemacht habe. Dadurch wurden die in Innsbruck lange gepflegten Machtstreitigkeiten und Grabenkämpfe (vorerst) ad acta gelegt. „Da entsteht schon einmal kein Konflikt, das ist clever“, glaubt Schlierenzauer. Hinsichtlich Material wisse der Chefcoach über alles Bescheid. Schlierenzauer verwendet in der WM-Saison – sie beginnt am 21. November in Klingenthal an und findet im Februar 2015 in Falun, Schweden, ihren Höhepunkt –, eine neue Bindung, die eine aggressivere Abstimmung mit einem ebensolchen Sprungstil ermöglichen soll.

Die Stimmung im ÖSV-Team bezeichnet Schlierenzauer aktuell jedenfalls als sehr gut. Es habe klärende Gespräche gegeben. Mit Kuttin und dessen Ideen konnte er sich sofort anfreunden, das und die zugesagte Unterstützung der Servicemannschaft gaben die nötige Motivation.

Der große Traum des ehemaligen Tourneesiegers und Weltmeisters ist nach wie vor das noch fehlende Einzel-Olympiagold. Doch bis 2018 ist noch viel Zeit, auch für die anstehende Saison hat sich Schlierenzauer noch keine konkrete Ziele gesetzt. Er wolle aber möglichst oft ganz vorn mitmischen. Erhöhten Druck aufgrund des Rücktritts von Thomas Morgenstern („Das ist extrem schade“) verspüre er nicht, schließlich gebe es im ÖSV-Team ja noch weitere Olympia-Medaillengewinner und Tourneesieger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2014)

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