Raffl: "Ich wusste nicht, ob ich für die NHL gut genug bin"

EISHOCKEY: NHL / PHILADELPHIA FLYERS - MONTREAL CANADIENS
EISHOCKEY: NHL / PHILADELPHIA FLYERS - MONTREAL CANADIENSAPA/HELMUT FOHRINGER
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Er ist der momentan erfolgreichste der drei Österreicher in der NHL. Michael Raffl im "Presse am Sonntag"-Interview über Glücksgefühle, Schicksal und Geld.

Sie halten nach 21 Spielen bei acht Toren, sind damit viertbester Torschütze Ihres Klubs, der Philadelphia Flyers. Am Ende der Vorsaison waren es nach 68 Spielen neun Tore. Worauf führen Sie Ihre Steigerung zurück?

Michael Raffl: Die Grundlage dafür wurde im Sommer gelegt. Ich habe wirklich hart trainiert, auf dem Eis und ebenso in der Kraftkammer. Im Vergleich zum Vorjahr habe ich mich definitiv gesteigert, was auch mit der gestiegenen Routine zu tun hat. Ich kenne die Liga jetzt besser.

Ist die zweite Saison in der besten Eishockey-Liga der Welt also einfacher als die erste, obwohl vielleicht die Erwartungen an Sie gestiegen sind?

Ich empfinde es tatsächlich als einfacher. Das erste Jahr war schon richtig hart. Ich kam nach Philadelphia und wusste nicht wirklich, was mich hier erwartet, ob ich für die NHL gut genug bin. Im Sommer-Trainingscamp war ich einer von rund 60 Spielern, die allesamt um ihren Platz im Team kämpfen. Diesen Konkurrenzkampf musst du einmal erlebt haben. In Österreich ist das ein bisschen anders. Da stoßt du zur Mannschaft und weißt: Okay, das sind meine 20 Teamkollegen. Außerdem habe ich in Philadelphia in den ersten drei Monaten im Hotelzimmer gewohnt, hatte noch keine feste Bleibe, auch darauf musste ich mich einstellen. Diese Ungewissheit, nicht zu wissen, was einen erwartet, die ist heuer weggefallen. Ich bin lockerer, habe jetzt mehr Spaß.

In Ihrer Rookie-Saison haben Sie mehr Vorlagen (13) geliefert als Tore (9) geschossen, diese Saison ist das Verhältnis Tore/Vorlagen anders. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Ich fülle jetzt eine andere Rolle aus als noch in der Vorsaison, bewege mich mehr unmittelbar vor dem Tor, wo die Scheibe eben oftmals landet. Außerdem bin ich in einer Linie mit unserem Top-Sturmduo, dem Tschechen Jakub Voracek und dem Kanadier Claude Giroux. Auch das ändert so einiges.

Hebt die NHL Spieler automatisch auf ein anderes Level? Sind Sie heute ein viel besserer Spieler als noch vor eineinhalb Jahren, als Sie in Europa aktiv waren?

Das soll nicht arrogant klingen, aber ja, ich bin davon überzeugt.

In der Saison 2012/2013 pausierte die NHL wegen des Lockouts. Viele Stars gingen deshalb für ein Jahr nach Skandinavien, die Ligen in Schweden und Finnland rückten so in den Fokus. Sie spielten damals in Schweden, als die Flyers auf Sie aufmerksam wurden. Glauben Sie an Schicksal?

Nein, eigentlich nicht. Aber eines steht für mich fest: Um es in die NHL zu schaffen, müssen viele Faktoren zusammenspielen. Ich hatte auch Glück. Mein Wechsel kann jedem österreichischen Spieler Mut machen, es ebenfalls in die NHL schaffen zu können, ohne gedraftet worden zu sein.

Ihr älterer Bruder Thomas (28) hat sich in jüngeren Jahren in Übersee versucht, konnte sich aber nicht durchsetzen und spielt seit 2010 in Salzburg. Haben Sie jemals Neid gespürt?

Nein, überhaupt nicht. So etwas gibt es zwischen uns nicht. Ich glaube sogar, er hat sich noch mehr über meinen Sprung in die NHL gefreut als ich selbst.


Lasten Sie sich auf dem Eis Druck auf, oder haben diese Aufgabe routiniertere Spieler zu tragen?

Druck ist immer vorhanden, aber ich bin jetzt doch schon einige Jahre Profi. Irgendwann nimmt man Druck also nicht mehr so richtig wahr.


Ist ein Tor in der NHL für Sie immer noch etwas Besonderes, oder gewöhnt man sich an dieses Glücksgefühl?

Ein Tor zu erzielen ist immer wieder schön. Dabei macht es für mich aber keinen Unterschied, ob ich es in Österreich, Schweden oder der NHL schieße.

Sie haben in Philadelphia einen Zweijahresvertrag über 2,2 Millionen Dollar unterschrieben. Haben Sie sich von Ihrem Verdient schon etwas gegönnt?

Einen Audi RS7. Ein schönes Auto zu besitzen war immer schon ein kleiner Traum von mir. Aber sonst bin ich niemand, der Luxus braucht.

Welches Standing haben Sie bei der Presse in Philadelphia, das ein sehr kritisches Eishockey-Publikum hat?

Ganz ehrlich, ich lese die Berichte über unsere Spiele nicht. Wenn es gut läuft, wird man in den Himmel gehoben, wenn nicht, dann ist genau das Gegenteil der Fall. Man braucht sich nicht bei jedem Schulterklopfer zu bedanken, genauso muss man nicht auf jeden hören, der dich in schlechten Phasen runtermacht.

Die Flyers liegen momentan nur im hinteren Drittel der Eastern Conference. Ist das Team derzeit einfach nicht besser?

Wir sind sicher besser, als es die Tabelle vermuten lässt. Wir hatten einen schlechten Start, aber jetzt nehmen wir Fahrt auf. Ich habe ein gutes Gefühl bezüglich Play-offs. Wenn wir es dorthin schaffen, ist sowieso alles möglich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2014)

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