Ski alpin: Airbag - Mehr Schutz, aber kein Allheilmittel

Renndirektor Günter Hujara
Renndirektor Günter Hujara(c) GEPA pictures (Franz Pammer)
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Der Internationale Skiverband hat in den vergangenen Jahren das Airbag-Projekt vorangetrieben. Ab Jänner dürfen sie bei Rennen eingesetzt werden.

Der Internationale Skiverband (FIS) hat in den vergangenen Jahren viele Projekte in Angriff genommen, um den alpinen Skisport sicherer zu machen. Renndirektor Günter Hujara hat diese Aufgabe sehr ernst genommen, er hat vor allem die Idee, einen Airbag für Rennläufer zu entwickeln, emsig vorangetrieben. Die Sache mit den Sicherheitszäunen, die ist nahezu ausgereizt, also musste man zu einer anderen Sportart schielen, um innovativ zu werden. Dinge, die sich bewähren, braucht man nicht neu zu erfinden – also hat man eine Anleihe aus dem Motorsport genommen. Besser gesagt aus dem Motorradsport. Denn dort sind Piloten seit Jahren mit einem Airbag unterwegs.

Skifahren und Motorradrennen, das sind jedoch zweierlei Paar Schuhe, auch wenn in beiden Fällen von Geschwindigkeiten jenseits der 100 km/h die Rede ist. Und es dauerte Jahre, bis die Technik für den alpinen Rennsport tauglich war. Die Vorarbeit hatte die italienische Firma Dainese geliefert, nun galt es allerdings, Erkenntnisse auf den Weltcuppisten zu gewinnen und eine Unmenge von Daten zu sammeln. Im März 2011, seit der Abfahrt in Kvitfjell, wurden immer wieder 16 Athleten mit einem Airbag zu Testzwecken ins Training geschickt. Sie sammelten mittels in den Rückenprotektor eingebauten Sensoren Beschleunigungs-, Impuls- und GPS-Werte. Die entscheidende Frage war – wann genau soll der Airbag auslösen?

Der Projektleiter bei Dainese, Vittorio Cafaggi, stand vor einer schier unlösbaren Aufgabe. Wenn man sich etwa den eher unkonventionellen Fahrstil eines Bode Miller vor Augen führt, dann kann man den Italiener verstehen. Denn es musste gewährleistet sein, dass sich auch bei einem Teufelsritt über die Streif der Airbag ruhig verhält. Selbst dann, wenn ein Athlet die physikalischen Gesetze überschreitet – und eigentlich hätte stürzen müssen. Auch diese Bilder sind aus dem Weltcup bekannt.

Im Jänner war es dann so weit, in Kitzbühel konnte der damalige FIS-Renndirektor Günter Hujara stolz verkünden: „Das D-air-System scheint bald einsatzbereit zu sein.“ Das gesamte System hat ein Gewicht von 800 Gramm, es besteht aus einer Art Korsett samt integrierter Kaltgasflasche. Mit ihrer Hilfe wird ein Luftpolster um Nacken, Brust und Hals aufgeblasen, sobald ein Läufer die Kontrolle verliert und stürzt. Und zwar nicht nur in Windeseile, sondern innerhalb von 100 Millisekunden. Hujara: „Das Schwierigste war, den Algorithmus zu definieren und den exakten Moment zu finden, in dem der Athlet nicht mehr in der Lage ist, die Situation zu definieren.“

Ein Allheilmittel ist der Airbag nicht. Zu klären gilt es auch, ob er aerodynamische Vor- oder Nachteile bringt. Darum wurde auch im Ferrari-Windkanal von Maranello getestet. Die Kosten sind so nebenbei auch nicht zu vernachlässigen. Ein Stück kostet zwischen 1500 und 2000 Euro.

Im ersten Gröden-Training verzichteten die Österreicher übrigens auf den Airbag, die Abfahrt findet am Freitag statt. Ab Jänner dürfte er dann auch im Rennen getragen werden.


1. Abfahrtstraining Gröden: 1. Nyman (USA) 1:59,98 2. Jansrud (NOR) +0,19 Sek. 3. Stechert (GER) 0,54 4. Paris (ITA) 0,63 5. Clarey (FRA) 1,02 6. Osborne-Paradis (CAN) 1,05 7. Zurbriggen (SUI) 1,07 8. Varettoni (ITA) 1,12 9. Mayer (AUT) 1,22 10. Reichelt (AUT) 1,27. Weiter: 21. Franz 1,68 23. Kröll 1,78 31. Streitberger 2,07 34. Baumann 2,29 36. Puchner (alle AUT) 2,54.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2014)

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